Was ist aus meinem Experiment geworden? Ich wollte in der Fastenzeit austesten, weniger nett zu sein.
Viele werden bei mir wohl gar keinen Unterschied gemerkt haben. Was mir bleibt ist eher der Eindruck, dass ich häufiger bewusst Nein gesagt habe. Damit fühle ich mich ganz wohl. Mir bleibt auch vorsichtiger geworden zu sein mit Erwartungen, ernüchterter auch, wie häufig ein Gefallen erwartet wird.
Unterm Strich war dieser Fastenvorsatz wirklich gut, er hat Wirkung gezeigt.
Höre diesen Text als Podcast
Im letzten Podcast hat Kathrin den Ball aufgenommen. Wie führt der Wunsch nett zu sein auch zu weniger Ehrlichkeit? Damit hat sie wiederum einen tiefen Blick in unsere menschliche Seele getan, eben auch in unsere dunkle Seele. Und sie hat den Ball direkt wieder an mich zurückgespielt, wie ich das sehen würde.
Da habe ich jetzt ein Problem. Denn wir stehen gerade mitten in der Karwoche: Ostern steht vor der Tür.
All die Dunkelheit wird vertrieben von Licht. Ich möchte mich nach vorne ausrichten, will all das Negative hinter mir lassen und mich ausstrecken nach dem Positiven vor mir.
Also möchte ich österlich auf Kathrin antworten, also nicht länger all das Negative sehen, wie falsch manche Nettigkeit ist oder wie wenig ehrlich manches Verhalten ist.
Nein, ich will das Positive sehen, will, das Wahrheit gewinnt. Ich will mir ein wunderschönes Bild malen, das mich ermutigt und motiviert zur Wahrheit. Ich will schauen, was ich alles gewinne, wenn ich mich ehrlich mache.
Was passiert, wenn Wahrheit gewinnt…
Dazu teile ich heute meine Gedanken zu vier Stichworten mit dir:
- Vertrauen
- Zufriedenheit
- Integrität
- Freude
Das sind die grossen Gewinne, die Preise, die glänzenden Goldpokale, wenn Wahrheit gewinnt.
1. Vertrauen
Wenn Wahrheit gewinnt, dann gibt es mehr Vertrauen. Wo es ehrlich zugeht, da wächst das Vertrauen. Wenn jemand mir eine konstruktive Rückmeldung gibt, weil ich einen blinden Fleck habe, dann macht mich das meist dankbar. Ich kann froh darüber sein, und das stärkt mein Vertrauen in diese bestimmte Person.
Vor vielen Jahren hat mir ein Vorgesetzter gesagt: «Carsten, du bist zu leise. Mach was dagegen.» Nun, ich wusste damals durchaus, dass ich oft zu leise bin, aber ich brauchte dieses Feedback, um endlich etwas dagegen zu unternehmen. Der eine positive Effekt davon ist, dass ich damals mit einer Gesangslehrerin an meiner Lautstärke anfing zu arbeiten. Der andere positive Effekt ist mehr Vertrauen.
Bei diesem Vorgesetzten, bei diesem Freund weiss ich: Der wird mich nicht mit einem freundlichen Lächeln ins Messer laufen lassen! Nein, er wird mir sagen, wo ich etwas nicht sehen will oder wo ich noch zu bequem bin, um mich zu verändern.
Ehrlichkeit lässt Vertrauen untereinander wachsen.
2. Zufriedenheit
Wenn Wahrheit gewinnt, dann bin ich zufriedener mit mir selbst. Wenn ich mich morgens im Bad zurechtmache, dann bin ich selten zufrieden. Ich sehe die Müdigkeit, weil ich mal wieder zu spät ins Bett gegangen bin. Mir fallen die Fältchen hier und da auf. Langsam, aber sicher, werde ich grau.
Aber bevor ich das Bad morgens verlasse, frisch geduscht, frisch rasiert, der feine Duft von Seife umweht mich noch, blicke ich nochmals in den Spiegel und sage mir: «Eigentlich bin ich im Grossen und Ganzen zufrieden mit mir.» Das ist äusserlich so. Innerlich habe ich den Eindruck, dass Ehrlichkeit da zentral ist.
Wenn ich in den Spiegel schaue und mir sage: «Dieser Mensch ist nicht immer nett, kürzlich war der richtig unfreundlich», oder: «Das ist aber auch einer mit seinen Ecken und Kanten, nicht immer einfach», dann ist das nicht so wild. Ich schaue mir diesen Menschen im Spiegel an und rede mir ein, dass dieser Mensch dort einfach ein Charakter ist.
Schlimm wäre es, ich würde in den Spiegel schauen und mir eingestehen müssen, ein Lügner zu sein.
Und gerade darum ist es wunderbar, ja höchst zufriedenstellend, wenn ich in den Spiegel schaue und mir sagen kann: «Du bist doch eine ehrliche Haut.» Da kommt mir ganz viel an positiver Selbstachtung entgegen.
3. Integrität
Wahrheit gewinnt, wenn ich durch Integrität meine Würde bewahre. Vor meinem inneren Spiegel kann ich mir schon etwas einreden.
Wenn ich aber die Erfahrung mache, dass ich mich bewähre in schwierigen Umständen und anständig bleiben kann, gerade, wenn andere den Anstand nicht haben, dann zeigt sich, wie integer ich bin oder nicht.
In Psalm 23 in der Bibel ↗ ist nicht nur von Schafen die Rede, die von ihrem Hirten gut versorgt werden, nicht nur von einem Platz an der Festtafel, wo der Wein üppig eingeschenkt wird…
Da ist auch die Rede, dass ich manchmal durch eine Schlucht gehe, begleitet von Gottes Schutz, aber doch eben eine dunkle, gefährliche Wegstrecke.
Wenn ich erlebe, dass Leute Blödsinn über mich erzählen, dass Leute ihren Mist in meine Schuhe schieben, und wenn ich es dann schaffe, nicht in ebendiesen Blödsinn und Mist zu verfallen, sondern mir treu zu bleiben, dann lebe ich Integrität, das ist innere Stärke.
Das gewinne ich allerdings nur, wenn ich mich für die Wahrheit entscheide in Zeiten, wo die Ehrlichkeit gerade nicht der einfachste Weg ist.
4.Freude
Zum guten Schluss: Wenn ich mich an Wahrheit halte, dann gewinne ich an Freiheit, und das schenkt mir Freude. Halleluja! Wenn ich erlebe, wie Menschen mir Vertrauen schenken, wie ich an Zufriedenheit mit mir selbst hinzugewinne, wenn ich standfest bleibe in Zeiten, wo mir der Wind ins Gesicht bläst, wenn das alles klappt, dann macht sich eine grosse Freude breit. Vertrauen, Zufriedenheit und Integrität sind ein wunderbarer Katalysator für tiefe, starke, anhaltende Freude.
An Ostern möchte ich all das Negative hinter mir lassen. Ich strecke die Hände in die Luft und rufe mir voller Enthusiasmus mein vierfaches Halleluja zu: Vertrauen, Zufriedenheit, Integrität, Fröhlichkeit!
Ich will mich innerlich ausrichten auf das Positive, auf das Gute, auf das Schöne, Glänzende im Leben, letztlich auf Gott hin.
Und da schaue ich weniger…
- auf Menschen, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen
- auf all das Misstrauen untereinander
- auf all die Unzufriedenheit
- auf all die Leute, die zu wenig Rückgrat zeigen
- oder jene, die miesepetrig durch die Gegend laufen und schlechte Laune verbreiten.
Nein, ich suche mir lieber ein paar Menschen, die Vertrauen und Zufriedenheit ausstrahlen, Menschen, die mich durch Integrität überzeugen, und mit denen ich mich einfach wunderbar freuen und mit denen ich lachen kann. Und dabei habe ich den Eindruck, dass das eine sehr österliche Haltung ist.
Dir alles Gute & Gottes Segen!
Carsten
Wolfers
Carsten Wolfers ist leidenschaftlicher Podcaster und Hobby-Musiker. Der 51-Jährige lebt mit seiner Familie im Rheintal und arbeitet als Diakon für die römisch-katholische Kirche in Sevelen. In seiner Freizeit philosophiert er gerne über die grossen Fragen des Lebens.