Ehrlich jetzt, nochmals über Schönheit reden? Natürlich, das ist unser tolles Thema. Ich hätte es gerne aber noch etwas konkreter, etwas handfester, etwas bodenständiger. Mir kommen da Schuhe in den Sinn. Trage ich schöne Schuhe? Ein sehr strittiges Thema, aber immerhin eines, das dieses Thema Schönheit bodigt. Ich habe da auch noch persönlich etwas aufzuarbeiten. Also rede ich heute mal über meine Erfahrungen mit Schuhen, über meine Beobachtungen zum Thema Papstschuhe und schliesslich über darüber, was wir also mit dem Tragen unserer Schuhe ausdrücken, wie wir das also mit Stil machen.
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Mein kompliziertes Verhältnis zu Schuhen
Meine ganze Männlichkeit drücke ich darin aus, dass Schuhe schlicht, praktikabel und funktional sein müssen. Ich will keine Zeit verschwenden im Geschäft mit stundenlangen Suchaktionen. Ein Paar Schuhe reicht! Jahrelang habe ich also immer die gleichen Schuhe getragen, habe immer das gleiche Modell im Schuhgeschäft nachbestellt und war bei all dem äusserst zufrieden mit dieser Effizienz.
Ich erinnere mich an eine Supervisionssitzung, in der unser Supervisor mich aufforderte, mit meinen Schuhen zu sprechen. Ich wurde sprachlos, war überfordert. Ein Schuh spricht nicht zu mir. Ein Schuh ist ein Schuh ist ein Schuh. Die Bedeutung meiner Schuhe beschränkte sich auf reine, klare Fussbekleidung. Aber ich wurde nachhaltig verunsichert. Vielleicht hatte ich irgendetwas da übersehen: War mir etwas Bedeutungsvolles entgangen?
Dann eines schönen Tages gab es meine Schuhe nicht mehr. Die Firma hatte einfach dicht gemacht. All meine Bestellungen haben nicht genügt. Die Produktion stand still. Also musste ich mich erneut auf die Suche machen.
Mehr als nur Schuhe
Aber die Zeiten hatten sich verändert. Denn es gab mittlerweile eine Tochter daheim, die sich nicht länger damit zufriedengeben wollten, dass ihr Vater weiterhin immer die gleichen langweiligen Schuhe tragen wollte.
Mir wurde also grosszügig Stilberatung empfohlen und aufgedrängt. Eigentlich darf ich heute nicht mehr unbegleitet ein Schuhgeschäft betreten. Meine Hausgenossinnen bieten mir grosszügig an, für mich Schuhe im Internet zu bestellen. Soweit ist es also mit mir gekommen😉.
Unterm Strich aber gestehe ich ein, dass ich es durchaus gerne stilvoll mag. Ich mag meinen schönen, einfachen Stil. Ich mag Beständigkeit. Elegantes schönes Schwarz. Ich mag auch Innovation und Flexibilität und Veränderung. Das alles kann ich mit der Wahl und dem Tragen von schönen Schuhen ausdrücken. Ich muss mich also korrigieren:
Ein Schuh, also ein schöner Schuh ist immer mehr als bloss ein Schuh. Meine Schuhe sind ein Statement, ein Ausdruck meines Selbstbewusstseins.
Dann ist es egal, ob ich in alten Schlappen im Garten rumlaufe, ob ich meine Füsse kleide in schicke Eleganz oder mit diesen aktuellen, modernen Sneakern meine Schüler*innen beeindrucke: ich drücke da etwas aus, ich drücke etwas über mich selbst aus. Ich kann noch dazulernen in Sachen schöner Schuhe. Ich hole mir mal Hilfe bei unfehlbaren Schuhexperten.

Papstschuhe
Kürzlich gab es in Rom eine Papstwahl. Und während da all die Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle sitzen und abstimmen über den nächsten Papst, da sitzen wir in aller Welt vor unseren Bildschirmen, vor dem Fernseher, vor dem Laptop, am Handy, und wir starren allesamt stundenlang einen Schornstein an. Gott sei Dank kommt gelegentlich da eine Möwe vorbei. Sonst wäre dieser Stillstand nicht auszuhalten. All die Journalist:innen können einem da schon leidtun, wenn es ausser Schornstein und Möwe eigentlich nichts zu sagen gibt. Zur Abwechslung wurde der päpstliche Schuster interviewt. Ich finde das ja schon sympathisch, dass es auch mal so ein kleiner Schusterbetrieb in die Weltnachrichten schafft. Das Ganze war schon etwas skurril. Der Schuster des Papstes aber erzählte dann von unterschiedlichen Erfahrungen mit unterschiedlichen Päpsten.
Warum Papst Benedikt XVI rote Schuhe trug…

Papst Benedikt XVI. hatte so richtige Papstschuhe getragen, echtes Handwerk mit rotem Leder. Das ist mal ein Statement. Rote Schuhe! Das hat echten Stil. Und es passte eigentlich gut zu Papst Benedikt, denn er war ein Ästhet. Er legte Wert auf elegante Schönheit, nichts Übertriebenes, aber doch niveauvoller Stil. Glaube, Gott, Gottesdienst, heilige Liturgie in heiligen Hallen, ein Amt in grosser Würde, da gilt es ja das Besondere durch guten schönen Stil zu betonen. Und wenn dann jemand in diesen schicken Schuhen in rot daherkommt, dann drückt das aus: Hier ist etwas Besonderes, nichts Alltägliches.
Foto: Papst Benedikt XVI. eröffnet die Synode im Jahr 2008, natürlich mit roten Schuhen. Fotocredits: Mangouste35 ↗, Wikimedia Commons ↗
Ich habe mich manchmal gefragt, ob das eine Art roter Fetisch ist, aber nein, mir wurde gesagt, das ist einfach Tradition. Also konnte der Schuster regelmässig neue rote Schuhe schustern.
…und Papst Franziskus seine Schuhe reparieren liess
Dann aber kam Papst Franziskus. Er wollte keine roten Schuhe, sondern brachte persönlich seine alten abgetragenen Schuhe zur Reparatur vorbei. Und wieder haben wir da ein stilvolles Statement, diesmal aber für Recycling und Nachhaltigkeit, für Einfachheit und Armut. Und auch diese alten Schuhe wurden mit Bedeutung besohlt. Glaube, Gott, Gottesdienst, die Nähe zu den Menschen, ein Amt im Dienste der Menschheit, da gilt es ja das Bodenständige als einfachen schlichten Stil zu betonen. Hier ist etwas Alltägliches, nichts Besonderes, und das drücken wir mit grosser Demut und Bescheidenheit aus.
Da versteht man die Anspannung des päpstlichen Schusters, welche Vorlieben wohl ein neuer Papst lieben mag. Doch egal ob schwarz oder rot, ob neu oder alt, ob das Besondere oder das Alltägliche, da wurde mit Stil und Bewusstsein, mit Schönheit und Konsequenz eine Botschaft weitergetragen allein durch das Tragen von Schuhen.
Was wir mit unseren Schuhen an Bedeutung breittreten
Stil und Schönheit, das hat mit Kohärenz und Symmetrie, mit Konsequenz und Bewusstsein zu tun. Da stecken Entscheidungen dahinter, die jemand für sich trifft. So will ich leben. So will ich verstanden werden. Das will ich sagen. Ich gestehe ein, ich habe bislang das Tragen von Schuhen unterschätzt. Und das lässt mich etwas vorsichtiger werden, welchen Stil ich wähle.
Sicherlich, Schuhe sind und bleiben ein kleines Detail. Aber ich drücke mir selbst gegenüber aus, wie ich mich sehe, wie schön ich mich da kleide, wieviel ich mir Wert bin, und ich drücke etwas nach aussen aus.
Da ist es mir lieber, dass ich es mit Stil mache.
Bevor Du jetzt hingehst und in Rom rote Schuhe für Dich bestellst, möchte ich doch daran erinnern: Es geht auch mal mit Sandalen, wie Jesus, auch mal ohne Wollsocken. Es geht auch mal barfuss, wie Franziskus von Assisi. Auf ihre Art ist dieser Stil bestechend schön, ihr Statement berechnend konsequent klar.
Und dabei geht es dann nicht nur darum, dass…
- ich barfuss verletzlich bin
- ich besser, näher spüre
… sondern vielleicht geht es darum, anstelle etwas auszudrücken etwas zu empfangen, nicht um zu sagen, sondern zu hören.
Barfuss im Herzen

Und überhaupt, schön sind wir doch mehr im Herzen als an den Füssen. Was Barfüssigkeit als schönes Schuhwerk dort heisst, erzählt Kathrin Bolt mit ihrem Gedicht «Im Herzen bin ich barfuss»:
«Ich mag meinen warmen Mantel, versinke ganz darin.
Fühle Schutz und Geborgenheit.
Ich mag mein dünnes Sommerkleid, das ich übers Bikini werfen kann.
Soviel Freiheit und Leichtigkeit.
Ich mag meine Jeans, mein Sweatshirt und die bequemen Turnschuhe.
Das ist Heimat und Entspannung.
Du siehst mich so, wie ich mich heute zeige. Mal fröhlich, mal bunt, mal unaufgeregt.
Mal stilvoll, mal unpassend.
Kleider machen Leute.
Doch sie machen sie nicht aus.
Was immer ich am Körper trage.
Im Herzen bin ich barfuss.»
Soweit einmal für heute. Dir alles Gute und Gottes Segen. Unseren nächsten Podcast hört Du hier dann ab dem 4. Juni, dann wieder mit Kathrin Bolt.
Dir alles Gute & Gottes Segen!

Carsten
Wolfers
Carsten Wolfers ist leidenschaftlicher Podcaster und Hobby-Musiker. Der 52-Jährige lebt mit seiner Familie im Rheintal und arbeitet als Diakon für die römisch-katholische Kirche in Sevelen. In seiner Freizeit philosophiert er gerne über die grossen Fragen des Lebens.