Podcast Sternenglanz St.Gallen

Lesedauer: 5 Minuten

#53 Innerlich aufrüsten

«Ich seh’ den Sternenhimmel!» Seit Carstens letzter Podcastfolge habe ich immer wieder diesen kitschigen Schlager im Kopf, den ich vorher gar nicht gekannt habe.

Und ja: Ich seh’ den Sternenhimmel. Jeden Abend. Und als ich vor einigen Tagen spät in der Nacht noch unterwegs war und die Sterne sehr hell habe funkeln sehen und auch den Mond, war ich einen Moment lang einfach nur glücklich. Was für ein Anblick. Was für ein Trost! Und kurz darauf war ich sehr traurig.

Höre diesen Text als Podcast:

Weil ich mich gefragt habe: Wer kann die Sterne so unbeschwert und fröhlich bestaunen wie ich? Wie viele Menschen, die zeitgleich wie ich unter dem Sternenhimmel leben, vielleicht jetzt auch noch wach sind zu später Stunde, können so unbeschwert zu den Sternen schauen?

Angst und Sorge

Die Sterne scheinen über unserer ganzen Welt.
Und diese Welt macht mir im Moment so viel Angst und Sorge.
Nicht erst seit gestern. Aber seit einigen Monaten, vielleicht auch nur Wochen, habe ich den Eindruck, es spitzt sich zu. Ich spüre es nicht nur in mir. Ich sehe es auch den Menschen an, die ich treffe, mit denen ich rede, die ich frage: «Wie geht es dir?»

  • So viele sagen: «Ich kann keine Nachrichten mehr sehen.»
  • Oder: «Ich habe meinen Glauben verloren.»
  • Eine ältere Frau im Bus sagte zu mir: «Ich habe mein Leben wenigstens gelebt. Aber meine Enkelkinder? Was wird auf die zukommen?»

Die Angst ist riesig. Wie geht das weiter? Politisch. Gesellschaftlich. Global.
Was können wir tun?
Es scheint nur eine einzige Antwort zu geben: AUFRÜSTEN!!!
Alle reden davon und schreien danach. Die Länder verschulden sich. «Hauptsache, wir sind bewaffnet. Für den Ernstfall gerüstet!»

Mich beelendet das.

Als Theologin und Pazifistin, als eine, die an das Gute glauben will und daran, dass am Ende immer die Liebe siegt, kann und will ich nicht glauben, das Aufrüsten die einzige Möglichkeit ist, zu handeln.

Jedenfalls nicht so!
In einem Fastenkalender habe ich gelesen:
«Was vor uns liegt und was hinter uns liegt,
ist nichts im Vergleich zu dem, was in uns liegt.
Wenn wir das, was in uns liegt, nach aussen in die Welt tragen, geschehen Wunder.» (Henry Stanley Haskins)

Also habe ich mir gedacht: Also doch: AUFRÜSTEN!         
Aber nicht nach aussen, sondern nach innen.

Ich will mich innerlich stärken und rüsten für all das, was auf mich und auf uns als Familie, als Gesellschaft, als Welt zukommt.

Sternenglanz-Podcasterin Kathrin Bolt war am 29.01.2024 zu Gast bei SRF Radio. Im einstündigen Podcast-Gespräch erzählt sie von ihrer Kindheit neben Zwinglis Geburtshaus im Toggenburg, ihrem Glauben und ihren Zweifeln und verrät, warum Humor auch bei einer Beerdigung seinen Platz haben kann.

Ich will mich innerlich stärken…

  • um die Hoffnung nicht zu verlieren.
  • um trotz allem den Glauben an das Gute, an das Leben und die Liebe zu behalten.

Innerlich aufrüsten – ich glaube, das ist das, was ich im Moment brauche, um nicht den Mut zu verlieren bei all dem, was weltweit gekämpft, verletzt und zerstört wird.

Die Frage ist nur: Wie? Wie kann ich mich innerlich stärken?

Innerlich aufrüsten in drei Schritten

Ich schlage vor, in drei Schritten aufzurüsten:

  1. Selbstliebe pflegen
  2. Empathie stärken
  3. Glücksmomente sammeln
Selbstliebe pflegen ist eine Möglichkeit zum Innerlich Aufrüsten.
Selbstliebe pflegen. Foto von Giulia Bertelli ↗ auf Unsplash ↗

1.Selbstliebe pflegen

Je mehr mir das Leben schwer vorkommt, ich mich Sorge und Angst habe sowie unsicher bin, desto wichtiger ist es, dass ich gut zu mir selbst schaue. Und zwar nicht in einem egoistischen Sinn, dass ich nur noch mich selbst sehe. Ich muss mir auch nicht dauernd etwas Gutes gönnen, Neues kaufen oder Luxus leisten.

Aber vielleicht mag ich…

  • mich etwas mehr als sonst selbst in den Arm nehmen.
  • einen Moment in die Sonne stehen.
  • Nachts zu den Sternen schauen.
  • und durchatmen. Dankbarkeit fühlen.
  • versuchen, mich so wie ich bin, lieb zu haben.

2. Empathie stärken

Und dann möchte ich – egal wie schlimm die Welt sich entwickelt – mein Mitgefühl für die anderen nie verlieren. Und mit den anderen meine ich einerseits die Menschen, denen ich begegne:

  • Meine Familie
  • Arbeitskollegen
  • Nachbarinnen
  • Freunde
  • Diejenigen, die mit mir unterwegs sind.

Ich glaube, wir brauchen starke Verbindungen zueinander, um zu spüren, dass wir mit unserer Ohnmacht nicht allein sind.

Ich glaube, dass wir unser Gefühl der Nächstenliebe üben können, indem wir uns interessieren für die anderen, nachfragen, uns Zeit nehmen.

Empathie stärken ist eine Möglichkeit zum Innerlich Aufrüsten.
Empathie stärken. Foto von Tim Marshall ↗ auf Unsplash ↗

Und neben denjenigen, die in meiner Nähe sind, will ich andererseits meine Empathie auch nicht verlieren für jene, die weit weg sind – von denen ich aber weiss, wie sehr sie leiden:

  • Die Menschen in der Ukraine, in Russland, in Israel, im Gaza, die Menschen in den USA, Kanada, Grönland, in vielen Teilen Afrikas und an noch so vielen Orten der Welt.
  • All diejenigen, die jetzt Angst haben und nicht wissen, was kommt.

Ich weiss, dass ich mit meinem Mitgefühl am Schicksal dieser Menschen nichts ändern kann. Und doch möchte ich nicht abstumpfen.
«Hinsehen bedeutet für die Opfer auch Ansehen» sagt die Theologin Christina Bruderer.

Solange wir uns bestürzen lassen, traurig werden, den Kopf schütteln und beten, wenn wir wieder eine Schreckensnachricht hören, bleiben wir ein stückweit mit den Menschen der Welt verbunden.

Ich habe mir für die Fastenzeit, die letzte Woche begonnen hat, vorgenommen, jeden Tag fünf Minuten für den Frieden zu beten und so mein Mitgefühl zu stärken.

Glücksmomente sammeln ist eine Möglichkeit zum Innerlich Aufrüsten.
Glücksmomente sammeln. Foto von Alex Alvarez ↗ auf Unsplash ↗

3.Glücksmomente sammeln

Und dann scheint es mir wichtig, gerade in Zeiten der vielen und so schlimmen «Bad News» sogenannte «Good News» zu sammeln. Trotz allem gibt es ja Gott sei Dank jeden Tag auch so viel Gutes. So viele Glücksmomente.

In St.Gallen, der Stadt, in der ich wohne, gibt es seit 2003 eine «Meldestelle für Glücksmomente» ↗. Hier kannst du über eine Website deinen Glücksmoment aufschreiben und teilen! ↗

  • Da schreibt der 36-jährige Pino: «Die selbstgemachte Pizza meines Schwagers macht mich glücklich und bringt mir meine italienische Heimat ein wenig in die Schweiz.»
  • Oder Antonia, 51 schreibt: «Einen Jugendfreund nach 30 Jahren wiedergesehen. Ich hab’ mich so gefreut!»
  • Eliane, 56: «Morgens um 6 ein Bad im See!»

So viele kleine und grössere Glücksmomente sind hier gesammelt. Und ich bin mir sicher, jede, jeder von uns könnte jetzt einen Glücksmoment formulieren.

Mein persönlicher Glücksmoment, den ich vor 12 Jahren an diese Meldestelle geschrieben habe, war:
«Der Moment, als ich mich traute, beim Coupe Dänemark Schokoladensauce nachzubestellen»…

Wie kannst du innerlich aufrüsten?

  • Was sind deine Glücksmomente?
  • Was gibt dir Kraft für diese anspruchsvolle Zeit?
  • Was hilft dir, nicht abzustumpfen, um trotz allem hinzuschauen und mitzufühlen?
  • Wie kannst du innerlich aufrüsten?

Vielleicht magst du uns davon schreiben.
Gerade in schwierigen Zeiten ist es so wichtig zu wissen, dass man nicht allein ist in der eigenen Angst und Sorge. Dass wir gemeinsam weiterhoffen können und mithelfen, «Good News» unter die «Bad News» zu bringen. Am besten so zahlreich wie die Sterne am Himmel!

Den nächsten Sternenglanz hörst du am 27. März 2025 mit Carsten.

Bis dahin, mach`s gut und schau gut zu dir.

Portrait Kathrin Bolt

Kathrin Bolt

Kathrin schreibt und spricht leidenschaftlich gerne. Die 43-Jährige lebt mit ihrer Familie in St.Gallen und arbeitet als Pfarrerin in der evangelisch-reformierten Laurenzenkirche. In ihrer Freizeit spielt sie Theater.