Kürzlich klingelte das Telefon. Eine Kolleg*in rief an. Sie wollte verschiedene Fragen rund um Team und Budget besprechen. Gegen Ende unseres Gesprächs meinte sie zu mir: «Carsten, Du wirkst auf mich in letzter Zeit etwas resigniert, etwas deprimiert. Ich habe den Eindruck, Du ziehst Dich zurück. Wir brauchen Dich.»
Was fange ich an mit so einem Feedback? Einerseits freute mich dieser Ausdruck von persönlicher Sorge. Da hat jemand mich wahrgenommen, mich gesehen, mich gehört.
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Andererseits wurde ich vorsichtig: Für was werde ich gebraucht? Welche Lücke soll ich stopfen? Was wird denn da von mir erwartet? Bei Kolleg:innen muss man da ja immer etwas vorsichtig bleiben😉
Das war allerdings nur die erste Reaktion. Die andere Reaktion meinerseits beschäftigt mich länger:
Stimmt das denn? Resigniere ich? Bin ich tatsächlich deprimierter als noch vor einem halben, vor einem Jahr?
In der Tat bleiben diese Fragen irgendwie im Raum hängen. Einerseits möchte ich abwiegeln:
- Nein, es läuft gut bei mir. Ich bin zufrieden mit Familie und Beruf.
- Meine Arbeitsbereiche passen gut zu mir.
- Die Arbeiten am Haus sind mittlerweile abgeschlossen.
Andererseits: es lief schon mal besser. Eigentlich habe ich ein Jahr hinter mir mit vielen Veränderungen:
- Manche dieser Veränderungen haben mich ziemlich geärgert.
- Einige Ziele habe ich noch nicht umsetzen können.
- Einige Kolleg:innen sind gegangen, mit denen ich gut und gerne zusammengearbeitet habe. Dass der Laden wieder so läuft wie zuvor, sehe ich noch nicht.
- Und habe ich nicht häufiger in letzter Zeit gesagt: «Ich bin es leid, dass …?»
Vorausschauend fahren und leben
Widerwillig muss ich mir eingestehen: So rund lief 2024 nicht wirklich. Nun bin ich ein Fan von vorausschauendem Fahren. Ich habe damals in der Fahrschule richtig gut aufgepasst. DieMahnung meiner Fahrlehrer:innen habe ich verinnerlicht: Wenn ich vorausschaue, was kommt da auf mich zu? Wer ist neben mir? Wer kommt von hinten?
Deswegen heisst es auch in einem Bussgeldkatalog: «Vorausschauend zu fahren bedeutet, dass Sie ein hohes Mass an Konzentration an den Tag legen und das Verkehrsgeschehen stets in Gänze beobachten. Das schliesst nicht nur vorausfahrende, sondern auch die Fahrzeuge hinter Ihnen sowie Fußgänger und Radler ein. Sie zeichnen sich durch eine ausgeglichene Fahrweise aus. Dadurch können Sie sehr schnell reagieren und potenzielle Gefahrensituationen vermeiden.»
Vorausschauendes Fahren ist also gutes Fahren. Also hoffe ich, dass 2025 wieder besser wird.
Ich packe meinen Koffer…
Also packe ich meinen Werkzeugkoffer für die Zukunft. Ich brauche etwas…
- das mir entspricht,
- das dem entspricht, wer ich bin, was mich anspricht,
- etwas, das bei mir auch funktioniert. Da sind wir ja nicht alle gleich.
Wenn ich mich für Zukunft rüste, dann bleibe ich nicht nur bei mir stehen. Ja, ich schaue voraus, was bei mir geht. Das ist der erste Schritt der Selbstsorge.
Und zugleich will ich von anderen lernen. Auch andere haben gute Erfahrungen gemacht, haben manches an Lebenserfahrung, Lebensweisheit, Lebenskunst gesammelt. Meine Erfahrung sagt mir, dass ich von den vielen Erfahrungen anderer profitieren kann.
Und weil ich ein religiöser Mensch bin, frage ich mich auch: Wie hilft mir mein Glaube, dass ich mich gut für die Zukunft aufstelle? Was hilft dir? Wie helfen wir uns da miteinander? Es sollte doch manches im Glauben geben, das für die Reise Richtung Zukunft hilfreich ist.
Was packe ich denn vorausschauend hinein in meinen Zukunfts-Glaubens-Werkzeugs-Koffer? Ich wünsche mir ein paar Wundermittel des Glaubens, ein paar hilfreiche Praktiken der Spiritualität, wirksame Rituale, um in Zukunft resilienter, positiver vorwärtszukommen.
Vier Werkzeuge
Vier Dinge helfen mir, mich für die Zukunft zu rüsten:
1. Gebet
Das Gebet ist vielleicht mein wichtigstes Hilfsmittel. Im Gebet kann ich viel von dem, was mich frustriert, was mich deprimiert, einfach abladen. Bei all dem Trubel, bei all den Sorgen des Alltags, bei all den Krisen und Katastrophen dieser Welt habe ich da einen Ort, wo ich mich auskotzen, das Schwere abschütteln kann und darf. Da ist jemand aufmerksam. Da hört mir jemand zu, schaut, wie es mir geht. Im Gebet nehme ich wahr, dass ich von Gott wahrgenommen werde. Da habe ich einen Herzens-Raum, wo ich meine Sorgen lassen kann und wo ich Sorge um mich spüre.
2. Vision
Zu wissen, wohin die Reise geht, ein Ziel, eine Vision zu haben, das ist für mich ein starkes Hilfsmittel. Wenn ich erkennen kann, was an Gutem kommt, dann stellt mich das auf. Wenn ich weiss, was ich will, was ich mir wünsche, dann habe ich ein Ziel vor Augen. Das motiviert mich. Das weckt manche Kraft, die im Laufe eines Jahres gerne mal dahindämmert.
Eine positive, starke Vision greifbar vor Augen zu haben weckt in mir eine Energie, die ich mir gar nicht mehr zugetraut hätte. Frust, Enttäuschung, Ärger, das alles zieht mich nach unten. Aber ein Ziel vor mir, eine Vision im Geist zu haben, das drängt mich vorwärts. Da steckt Hoffnung und Freude drin.
3. Aufgabe
Ein weiteres Hilfsmittel ist für mich eine Aufgabe zu haben. Wenn ich weiss, dass ich etwas kann, dass ich gebraucht werde, dass mein Einsatz es wert ist, dann setze ich etwas um. Um den Zweck meiner Existenz zu wissen, für den Zweck meiner Existenz zu arbeiten, das schenkt mir unterwegs Zufriedenheit. Dass ich einen Sinn habe, dass ich einer Berufung folge, das spüre ich, wenn ich konkrete Arbeiten und praktische Aufgaben erledige.
4. Gemeinschaft
Es hilft mir ungemein, unterwegs für Zukunft niemals allein zu sein. Mein Glaube sagt mir, dass Gott mich nicht verlässt. Und ich habe Menschen um mich, die «Wir» sagen und es auch so meinen. Dieses Miteinander trägt mich – gerade auf dem Weg in die Zukunft.
Ich weiss nicht, wie die Zukunft ausschauen wird. Aber ich will vorausschauend unterwegs sein. In meiner spirituellen Werkzeugkiste gibt es keine Glaskugel. Ich weiss ein wenig, was mir hilft, mich gut für die Zukunft zu rüsten. Viel davon hat mit Glauben zu tun, manches mit Erfahrung, manches mit dem, was gute Kolleg:innen einem gelegentlich am Telefon zurückmelden: «Ich sehe Dich. Ich sorge mich, wenn Du resignierst, wenn Dich etwas deprimiert. Zieh Dich nicht zurück. Wir brauchen einander.»
Dir alles Gute & Gottes Segen. Den nächsten Sternenglanz-Blogbeitrag liest du hier wieder in zwei Wochen, am 19. Dezember.
Dir alles Gute & Gottes Segen!
Carsten
Wolfers
Carsten Wolfers ist leidenschaftlicher Podcaster und Hobby-Musiker. Der 51-Jährige lebt mit seiner Familie im Rheintal und arbeitet als Diakon für die römisch-katholische Kirche in Sevelen. In seiner Freizeit philosophiert er gerne über die grossen Fragen des Lebens.