«Ich staune, wie viel Change-Management in der Bibel steckt», hat Carsten in seinem letzten Beitrag gesagt. Und an dieser Stelle will ich anknüpfen!
Denn Change-Management ist für mich gefühlt eines der im Moment am meisten gebrauchten Worte. Vielleicht liegt es daran, dass wir als Kirchgemeinde – als Kirche überhaupt – an einem Punkt angelangt sind, an dem gewisse Veränderungen, also Changes, unumgänglich sind.
Vielleicht liegt es auch daran, dass unsere Welt so schnelllebig geworden ist und wir dauernd unsere Strukturen überdenken, verändern und vor allem optimieren müssen.
Aber – so neu der Begriff «Change-Management» klingt – das Phänomen der Veränderung und der Wunsch nach Erneuerung sind nicht neu.
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Change Management in der Bibel
Ich staune, wie wir in den biblischen Geschichten von Menschen lesen können, die von heute auf morgen ihr Leben umstellen, die Chancen wagen, sich neu ausrichten, neu anfangen und alles hinter sich lassen.
Heute will ich dir die Geschichte von drei Männern ↗ erzählen, die von Beruf Fischer waren: Simon Petrus, Jakobus und Johannes. Simon Petrus war der Kopf des Fischergeschäfts, Jakobus und Johannes waren die Teilhaber.
Die drei Männer, so stelle ich mir vor, hatten ihr Leben aufs Fischen ausgerichtet. Sie waren Tag und Nacht damit beschäftigt, im richtigen Moment mit dem Boot auf den See zu fahren, die Netze auszuwerfen, Fische zu fangen, sie ans Land zu bringen und so herzurichten, dass sie sie verkaufen konnten. Eine mehr oder weniger anstrengende Tätigkeit, die reichte, um das Leben der Familie zu sichern. Vielleicht auch etwas eintönig.
Jedenfalls schien es für diese Männer eine schöne Abwechslung zu sein, als dieser Wanderprediger Jesus vorbeikam, von dem sie schon viel gehört hatten. Und Jesus fing an, bei ihrer Fischerbude zu predigen. Er fuhr mit dem Boot hinaus und begann, zu den Menschen zu sprechen. An diesem Tag hatten sie noch nichts gefangen und waren etwas deprimiert. Jesus sagte, nachdem sie ihm eine Weile zugehört hatten: «Geht mit den Booten weit hinaus in die See und fischt dort, wo es tief ist.»
Der grosse Fang
«Wie bitte?» So dachten die Fischer vielleicht zunächst. «Willst du uns sagen, wann wir wo fischen sollen?» Und doch fuhren Simon Petrus, Jakobus und Johannes hinaus, so wie Jesus es ihnen ans Herz gelegt hatte. Sie warfen ihr Fischernetz aus, und dann geschah das Wunder: Das Netz füllte sich mit Fischen, sodass sie es kaum mehr aus dem Wasser ziehen konnten. Sie brauchten Hilfe, um den riesigen Fang an Land zu bringen.
Jesus führte sie in die Tiefe – und zeigte ihnen die Fülle des Lebens.
Jedenfalls: Dieser Fang veränderte alles. Simon Petrus, Jakobus und Johannes waren bereit, ein neues Leben anzufangen. Doch nicht ganz von jetzt auf gleich. Es brauchte noch einen entscheidenden «Aha-Moment». Auch das gehört zum «Change-Management».
Was Sünde (nicht) ist
In der Geschichte wird erzählt, dass Simon Petrus zu Jesus sagte: «Geh weg von mir – du bist zu gross, zu mächtig für mich – und ich bin ein sündiger Mensch!» Das ist ein Klassiker in den biblischen Geschichten, dass jemand bei der Begegnung mit Jesus zur Erkenntnis kommt: «Ich bin ein Sünder».
Früher hat mich das oft abgeschreckt, und ich fragte mich: Was soll das? Warum machen diese Menschen sich rund um Jesus so klein? Worum geht es hier?
Doch einer der Schlüsselmomente im Theologiestudium ↗ war für mich, zu erkennen, was «Sünde» im tieferen Sinn ist. Es geht bei diesem Begriff gar nicht – wie wir oft denken – um ein schlechtes, unmoralisches Verhalten. Es geht nicht darum zu sagen: «Ich bin schlecht!» Denn mit «Sünde» ist weniger eine Tat gemeint als ein Zustand. Im Theologiestudium habe ich gelernt: Sünde bedeutet das «Kreisen um sich selbst!» Wer in Sünde lebt, kreist nur um sich selbst.
Anstelle dass ich mich öffne und Gott zuwende, sehe ich nur mich: meine Leistung, mein Äusseres, meinen Status oder meine Alltagsprobleme.
Das kann ich mir sehr gut vorstellen! Und ehrlicherweise muss auch ich in diesem Sinne sagen: Wie oft bin ich ein sogenannter sündiger Mensch! Wie oft sehe ich nur mich. Wie oft verliere mich in meinen kleinen Alltagsproblemen.
«Steh auf, kehr um, fang ein neues Leben an!» Diese Ermutigung kann eine riesige Befreiung sein. Und so ermutigt Jesus den Fischer Simon Petrus und seine Freunde: «Kommt mit mir! Von jetzt an werden wir uns mit Menschen beschäftigen, nicht mehr mit Fischen. Und wir werden ihnen von unserem neuen Leben, von unserer neuen Erkenntnis des Lebens erzählen.»
Mich fasziniert diese Geschichte, weil ich manchmal in mir die Sehnsucht spüre, einfach neu anzufangen. Weil mir diese Energie der Jünger gefällt. Dieser Impuls, der so klar sagt: «Ich lasse mein altes Leben hinter mir, weil ich gespürt habe, da ist noch etwas anderes möglich.»
Wenn das Herz spricht
Was hat die Jünger von damals motiviert, alles stehen und liegen zu lassen und mit Jesus ein neues Leben anzufangen?
Letzten Sonntag im Gottesdienst in der St.Galler Laurenzenkirche habe ich mit meiner Kirchgemeinde das Lied «Geh aus, mein Herz, und suche Freud» gesungen, ein altes Kirchenlied aus dem 17. Jahrhundert von Paul Gerhardt, der viele deutsche Kirchenlieder geschrieben hat. Die meisten sind ein bisschen kitschig, aber gerade deshalb gehen sie zu Herzen und werden sie so gern gesungen.
Bei mir im Gottesdienst unter dem gemalten Sternenhimmel der Laurenzenkirche spürte ich jedenfalls, wie sich eine grosse Freude ausbreitete, als wir dieses Lied sangen. Und ich glaube, die Jüngerinnen und Jünger von Jesus haben genau das gedacht und gespürt, als sie sich aufmachten, den Change wagten und neu anfingen:
«Wir haben in unserem Herzen die Freude gefunden. Und diese Freude wollen wir teilen. Und nicht aufhören, in unserem Herzen nach Freude zu suchen!»
Change-Management in der Bibel gelingt, weil Jesus die Sehnsucht nach «mehr» sieht und sie stillen kann. Und zwar nicht, indem Menschen plötzlich mehr Materielles haben oder reicher werden. Sondern im Gegenteil:
Die Menschen um Jesus trauen sich, vieles loszulassen.
Sie trauen sich, sich aus Strukturen zu lösen, den sicheren Hafen zu verlassen und einfach loszugehen. Schritt für Schritt.
Ein neuer Anfang
«Geh aus, mein Herz, und suche Freud!» Ich weiss, es ist nicht so leicht, das ganze Leben über den Haufen zu werfen. Und vermutlich ist es auch nicht sinnvoll, Beruf, Familie, Heimat, was auch immer jetzt dein Leben ausmacht, zu verlassen.
Aber vielleicht gibt es etwas, was du in deinem Leben verändern willst und kannst? Was müsste sich ändern, damit du neu anfangen kannst?
Die Geschichte von Jesus ermutigt uns: «Geh dort schauen, wo dein Leben tief ist. In der Tiefe des Lebens findest du Erfüllung.» Und: «Folge mir nach. Wage den ersten Schritt!»
Soviel zu Change-Management und Neuanfang in der Bibel. Den nächsten Podcast mit Carsten Wolfers hörst du am 18. Juli.
Bis dahin, mach`s gut und schau gut zu dir.
Kathrin Bolt
Kathrin schreibt und spricht leidenschaftlich gerne. Die 43-Jährige lebt mit ihrer Familie in St.Gallen und arbeitet als Pfarrerin in der evangelisch-reformierten Laurenzenkirche. In ihrer Freizeit spielt sie Theater.