Das Jo-Jo geht runter, kommt unten an, macht eine 180 Grad-Drehung und kommt wieder nach oben. Welch ein Wunder ‒ für mich. Dieser Teil hat bei mir nie so richtig geklappt. Kathrin hat im letzten Sternenglanz-Beitrag die Jo-Jo-Bewegung seziert in drei Abschnitte und das Auf und Ab, den Aufschwung sowie den Halt am Ende der Schnur beschrieben. Und ich dachte: «Das ist super! Das ist gut!»
Aber was ist mit dem kurzen Moment zwischen Auf und Ab, kurz vor dem Aufschwung, dort, wo sich die Schnur wirklich bewährt? Denn an diesem Punkt wurde mein Spiel mit dem Jo-Jo tragischer Ernst. Das klappt halt nicht immer. Bei mir nicht. Das Jo-Jo geht nach unten, hält einen kurzen Moment inne und sollte sich dann drehen und wieder nach oben kommen. Das ist der Plan. Der Drehpunkt ist so entscheidend.
Heute erzähle ich von einer Geschichte, wo der Drehpunkt leider nicht klappt.
Dann teile ich drei Gedanken, wie das mit dem Wendepunkt klappen könnte.
Schliesslich werfen wir noch einen Blick auf biblische Dreh- und Wendepunktgeschichten.
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Wenn der Drehpunkt nicht klappt
Kennst du die amerikanische Sitcom-Serie «Friends»? Dieser junge Mann, Ross, hat sich ein Sofa gekauft und möchte dieses nun über eine Treppe hinauf in den ersten Stock tragen. Das Sofa ist zu schwer für ihn alleine und die Treppe hat zwei Biegungen. Er braucht also Freunde, die helfen und mit anpacken. Ross hat alles im Blick, er hat vorab sogar eine Zeichnung gemacht, wie sie mathematisch korrekt das Sofa die Treppe hinausbringen können. Der Plan ist gut, und wie seine Freunde kommen, um mit anzupacken, sind sie leicht ironisch beeindruckt.
Die erste Biegung auf der Treppe schaffen sie. Für die zweite Biegung aber müssten sie das Sofa an einem ganz bestimmten Drehpunkt drehen. Ross ruft immer wieder, sie sollen auf den Drehpunkt achten: «Der Drehpunkt! Der Drehpunkt! Der Drehpunkt!» Es klappt nicht. Sie beschliessen, das Sofa wieder herunterzutragen. Auf dem Weg nach unten klemmen sie das Sofa so ungünstig auf der Treppe ein, dass nichts mehr geht.
Da schliesslich fragt der eine Kollege nach, wie er das denn vorhin mit dem Drehpunkt gemeint hätte. Diese Drehpunkt-Episode bei «Friends» endet damit, dass Ross versucht, das Sofa im Möbelgeschäft wieder zurückzugeben, obwohl irgendjemand offensichtlich dieses Sofa in zwei Teile zersägt hat.
Diese kleine Geschichte macht mir klar, dass es manchmal wirklich nur diesen Punkt, diesen kurzen Moment gibt, um die Richtung zu wechseln. Egal, ob ich mit einem Jo-Jo spiele oder ein Sofa transportiere oder irgendetwas anders mache: Manchmal gibt es bestimmte Drehpunkte, um die Richtung ordentlich zu verändern, und es kann schwer sein, den richtigen Moment abzupassen, und genau dann die Kräfte in die richtige Richtung zu steuern, damit es mit Schwung weitergeht.
Ich frage mich, welche Erfahrungen ich bislang mit Dreh- und Wendepunkten gemacht habe, privat und beruflich, alltäglich und praktisch, wo immer auch es mal angesagt ist rechtzeitig das Steuer herumzuwerfen. Stark geprägt haben mich zum Beispiel:
- die Wahl meiner Ausbildung
- die Entscheidung mal ins Ausland zu gehen
- Hochzeit und Geburten
- Stellenwechsel oder Weiterbildung
- oder auch die Berufssituation, die sich stark verändert
Drei Tipps für einen guten Wendepunkt
Wie kann die Sache mit dem Drehpunkt gut funktionieren? Ich greife drei Aspekte heraus, von denen ich meine, dass sie dafür wichtig sind:
1.Vorausschauend denken
Ein Plan ist eine gute Idee. Wenn ich weiss, dass Veränderungen bevorstehen, wenn Dinge und Umstände oder auch Menschen sich ändern, dann kann ich das bis zu einem gewissen Grad planen. Wenn es darum geht, ein paar Möbel zu verschieben, dann gehöre ich offensichtlich auch zu der Sorte Mensch, die erst einmal eine Skizze davon machen. Kürzlich habe ich mit einer älteren, betagten Nachbarin darüber gesprochen, dass wir wegen der Heizung überlegen. Wann ist der richtige Zeitpunkt, um eine ökologischere Heizung einzubauen, hat das noch Zeit oder hätten wir das nicht schon längst machen sollen? Meine Nachbarin hat gelächelt und gemeint, sie würde das auf ihre alten Tage jetzt nicht mehr machen. Aber bei uns daheim planen wir, was da auf uns zukommt, wir schauen voraus. Es tut gut, einen Plan, eine Skizze, eine Vorstellung zu haben von dem, was kommt und wie das funktionieren könnte.
Veränderungen lösen Unsicherheit aus. Ich weiss nicht, wie es genau weitergeht, aber vorausschauend fällt es leichter, sich auf Neues auch einzulassen, als plötzlich gar nicht mehr weiter zu wissen.
2. Grenzen nicht ignorieren
Wenn es um Drehmomente und Wendepunkte geht, dann heisst das auch:
Es gibt diese Situationen, wo man in einer Richtung einfach nicht mehr weiterkommt. Ich kann diese Grenze ignorieren, aber dann geht halt gar nichts mehr. Es kommt auf die Einsicht an, dass es Zeit wird die Richtung zu ändern. Wenn ich die letzten zehn Jahre zurückblicke, dann habe ich den Eindruck: Wie wir Urlaub machen als Familie, da mussten wir alle drei, vier Jahre uns neu ausrichten. Irgendwann war der lange gemeinsame Urlaub in einer Ferienwohnung nicht mehr gut für alle. Irgendwann hatten sich die verschiedenen Interessen und Bedürfnisse verändert, und da mussten wir über die Bücher, mussten schauen, was wir verändern müssen, damit alle am Ende vom Urlaub einigermassen erholt zurückkommen. Wenn ich an so einen Punkt komme, an eine Grenze, wo es nicht mehr weitergeht, dann muss ich die Richtung ändern.
Mal ein Methodenwechsel, mal ein Traditionsbruch, das ist nicht immer gleich ein Beinbruch. Eine starke Veränderung kann ja auch Freude machen, kann neugierig machen, kann neuen Erfolg bringen.
3.Gemeinsam statt einsam
Wenn Drehpunkte auftauchen, dann geht es besser gemeinsam als einsam.
Wenn Veränderungen anstehen, dann brauche ich manchmal einfach Hilfe, Menschen, die mit anpacken oder gut begleiten. Um den richtigen Moment abzupassen, wann ich loslassen muss, wann ich neu Kraft einsetzen muss, dafür braucht es manchmal die Erfahrung oder auch das Feedback von anderen.
Wenn ich mich beruflich neu orientieren will oder muss, wenn Veränderungen in der Familie anstehen, dann bin ich froh darum, Menschen um mich zu wissen, die mich kennen und die mir mit ihrer Erfahrung ein bisschen voraus sind.
Biblische Wendepunkte
Ich möchte kurz noch auf biblische Drehpunktbeispiele eingehen. Im religiösen Bereich treffe ich häufiger die Haltung, alles sollte seinen gewohnten Gang gehen, als seien Veränderungen unerwünscht.
Dabei ist die Bibel voll von Erzählungen, wo jemand umdrehen musste, oder wo der Weg plötzlich in eine neue Richtung weiterging:
- Das berühmteste Beispiel ist sicherlich Paulus: Paulus, der vor den Toren von Damaskus, eine 180-Grad-Wende macht, und von einem Christenverfolger zu einem Christus-Nachfolger wird (vgl. Apostelgeschichte 9,1-19) ↗.
- Die Erzählung von Jona kennt zwei faszinierende Drehmomente, einmal, wo Gott ihm einen Sturm schickt (vgl. Jona 1,4) ↗ um Jona auf der Flucht vor seiner Berufung zurückzuholen, und wo Gott ihm einen Wurm schickt. Dieser Wurm zerfrisst die Wurzeln eines schattenspendenden Baumes, um Jona eine Lektion in Barmherzigkeit und Vergebung zu geben (vgl. Jona 4,7) ↗.
- Auch die Samariterin, eine fremde Frau am Jakobsbrunnen erlebt dort einen Wendepunkt, wo sie von einem Leben, angepasst an verschiedenste Schwierigkeiten und Konventionen, neue, grosse Hoffnung und Überzeugung gewinnt (vgl. Johannes 4,1-42) ↗.
- Selbst Jesus erlebt seinen Drehmoment, im Grab vom Tod zum Leben (vgl. Markus 16) ↗.
Ich staune einfach, wie viel an Change-Management in der Bibel steckt.
All diese biblischen Drehpunkte haben etwas Gemeinsames: Sie alle scheinen doch mehr oder weniger einem Plan Gottes zu entspringen, der durch Veränderungen Besseres bewirkt. Und dabei bleibt eigentlich niemand allein, auch nicht in der Situation, wo ich als Mensch eigentlich gar keine Veränderung will oder mir noch die Einsicht fehlt, dass sein Wind sich längst gedreht hat. In all diesen Veränderungen bin ich nicht allein, sondern von Gott begleitet, gefordert, gesegnet. Da gewinne ich doch an Vertrauen gerade in diesen Dreh- und Wendegeschichten.
Unterm Strich, allen Widerständen und Gewohnheiten zum Trotz, muss ich also einräumen: Drehpunkte sind zwar herausfordernd und zuweilen notwendig. Aber sie sind auch faszinierend, sie machen neugierig und kreativ, sie lassen mich hoffen, dass die Dinge anders besser gehen könnten. Und es tröstet mich ein wenig, mit dieser Erfahrung keineswegs alleine dazustehen.
Unseren nächsten Podcast auf diesem Kanal hörst Du dann wieder in zwei Wochen am 4. Juli, dann wieder mit Kathrin Bolt.
Dir alles Gute & Gottes Segen!
Carsten
Wolfers
Carsten Wolfers ist leidenschaftlicher Podcaster und Hobby-Musiker. Der 51-Jährige lebt mit seiner Familie im Rheintal und arbeitet als Diakon für die römisch-katholische Kirche in Sevelen. In seiner Freizeit philosophiert er gerne über die grossen Fragen des Lebens.