Keine Sorge, hier geht es nicht um Diät-Tipps. Sondern um das Jo-Jo-Spiel, und was das mit Spiritualität zu tun hat.
Höre diesen Text als Podcast:
Weisst du eigentlich, was heute für ein Tag ist?
Heute ist Welt-Tag für …
Gut, das kommt jetzt ganz darauf an. Also auf DICH. Auf dich und das Datum, an dem du diesen Podcast hörst.
Denn Carsten hat Recht mit seiner Aussage im letzten Podcast: Es gibt unglaublich viele Gedenktage. Das Gute daran: Jeder Tag ist ein Gedenktag. Jeder Tag ist ein besonderer Tag.
Und heute – also in meinem Heute, das wäre der 6. Juni 2024, der Tag an dem meine jüngere Tochter 9 Jahre alt wird, ist Welttag des Jo-Jos!
GROSSARTIG, oder?!
Wenn das kein Grund ist, sich sofort so ein Spielzeug zu besorgen, um zu schauen, ob ich das noch kann!!
Als Kind habe ich das geliebt: Die Schlaufe um den Zeigfinger wickeln und dann das runde Holz-Teil runtersausen lassen, hochspicken lassen, runter, hoch – Einmal – zweimal – dreimal – viermal – fünfmal – ja und irgendwann bleibt die Kugel eben unten: Aufwickeln und wieder von vorne anfangen!

Das Spielzeug ist uralt. Laut Wikipedia müssen schon die alten Griechen mit so etwas wie einem Jo-Jo gespielt haben. Jedenfalls steht in Berlin im Antikenmuseum ↗ein Trinkgefäss aus dem 5. Jahrhundert vor Christus, das einen Jungen beim Jo-Jo-Spiel ↗zeigt.
Bild:Junge beim Jo-Jo-Spiel, attische Kylix ↗, um 440 v. Chr., Antikensammlung Berlin ↗ (F 2549)
Im 18. Jahrhundert müssen Jo-Jos vor allem in Frankreich eine Modeerscheinung gewesen sein. Edle Damen werden mit Jo-Jos abgebildet. ↗
Sehr beliebt muss das Spielzeug auf den Philippinen gewesen sein. Von da kam es in die USA und schliesslich schrittweise nach Europa und in die ganze Welt. Um 1932 entstand ein Gesellschaftstrend, eine Jo-Jo-Manie!
Bild: Jo-Jo spielende Dame (Journal des Luxus und der Moden, Oktober 1791)

Und dann, während der Wirtschaftskrise, fing man an, sich kritisch zu fragen: Was soll das? Ist das nicht Zeitverschwendung? Wollen die Menschen sich nur ablenken? Vor den wahren Problemen fliehen?
Tatsächlich kann man sich fragen: Was bringt das?
Ein Spielzeug, das aus einer Holz- oder Plastikvorrichtung mit zwei Scheiben besteht und mit etwas Geschicklichkeit fliessend runter und rauf rollenkann.
Diese Frage können wir uns bei sehr vielen Freizeitbeschäftigungen stellen. Und bei sehr vielen Dingen, die wir täglich kaufen oder benutzen, ohne dass wir sie wirklich brauchen.
Wofür steht das Jo-Jo?
Aber heute, am Welt-Jojo-Tag, möchte ich diesem Spielzeug, das so viel älter ist als ich selbst und so viele Hände und Finger schon beschäftigt hat, etwas Aufmerksamkeit schenken und mir überlegen: Was kann ich aus dem heutigen «Gedenktag» lernen? Wofür steht das Jo-Jo?
Ich versuche drei Annäherungen mit der Idee, einen Jo-Jo-Effekt zu finden, der positiv ist. Nicht zu verwechseln mit dem Jo-Jo-Effekt, von dem bei Diäten gesprochen wird.
Nein – positiv gesprochen steht das Jo-Jo für:
1. Ein ständiges Auf und Ab
2. Den Halt am Ende der Schnur
3. Den Aufschwung
1. Ein ständiges Auf und Ab
Bei den meisten von uns spielt sich das Leben tatsächlich so ab, wie ein Jo-Jo das darstellt: Es geht bergab und wieder bergauf – und wieder bergab und wieder bergauf!
Oft sind es die gewohnten Auf- und Abs im Alltag – als Frau zwischen 40 und 50 erlebe ich das oft intensiv durch enorme Stimmungsunterschiede, vermutlich hormonell bedingt.
Noch während ich im heulenden Elend sitze weiss ich: das kommt wieder besser! Und während ich in Freude fliege bin ich ein bisschen vorgewarnt: Ich werde auch wieder fallen.
Wenn im Leben grössere Krisen anstehen:eine Trennung, eine Krankheit, ein schwerer Abschied ‒ kann es auch ein viel tieferes Tief geben. Und das braucht oft Zeit. Auch da hilft vielleicht die Gewissheit, dass das Jo-Jo nicht für immer unten bleibt, sondern wieder nach oben gezogen wird! Und bis es soweit ist – ist Punkt 2 entscheidend:
2. Halt am Ende der Schnur
Der Holländische Seelsorger Arno Pötzsch hat 1941 in einem Lied geschrieben: «Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand». Diese Worte kommen mir manchmal in den Sinn, wenn ich den Eindruck habe, sehr weit unten zu sein. Wenn ich nicht mehr weiter weiss. Und bei all dem Schrecklichen und Traurigen, was täglich uns herum geschieht, hilft mir dieses Bild, dieses Wort: «Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand».
Menschen fallen – fallen teilweise unendlich tief – aber nicht ins «Nichts».
«Und doch ist einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält», sagt der Dichter Rainer Maria Rilke in einem seiner schönsten Gedichte.
Jo-Jo-Spielen bedeutet «Fallenlassen». Doch am Ende der Schnur ist ein Halt. Ein «Umkehrmoment». Und dieser führt schliesslich zum dritten Punkt:
3. Der Aufschwung
Letztendlich ist das Ziel des Jo-Jo-Spiels der Aufschwung!
So oft wie möglich soll die Holz- oder Plastikkugel wieder in die Höhe gefedert werden.
Symbolisch gesprochen könnte ich sagen:
Auch in meinem Fallen oder in meinem «Mich-fallen-Lassen» steckt der Wunsch, die Hoffnung, wieder Aufschwung zu bekommen!
Energie, weiterzugehen.
Energie, in Bewegung zu bleiben.
Energie, es noch einmal zu versuchen.
Das Wort Jo-Jo steht übrigens entweder für das Spiel – französisch «jou jou» oder es heisst, wenn man es aus dem Philippinischen ableitet: «Komm komm».

So oder so höre ich das als Ermutigung.
Und so sehe ich den Welt-JoJo-Tag als Ermutigung:
- dem Auf und Ab meines Lebens spielerisch zu begegnen
- dem Halt am Ende der Schnur zu vertrauen
- und immer an den Aufschwung zu glauben, der nach dem Fallen kommt
Foto: Jo-Jo-Spielerin in der Berliner Charlottenstraße, 1930er Jahre ↗
Und du?
Was hast du noch für Ideen für einen positiven Jo-Jo-Effekt?
Oder für einen neuen Welt-Gedenk-Tag?
Ich jedenfalls höre jetzt auf zu reden und fange an zu spielen. Mit meinem Jo-Jo. Das klappt schon ganz gut!😉
Den nächsten Podcast mit Carsten hörst du am 20. Juni.
Bis dahin, mach`s gut und schau gut zu dir.

Kathrin Bolt
Kathrin schreibt und spricht leidenschaftlich gerne. Die 43-Jährige lebt mit ihrer Familie in St.Gallen und arbeitet als Pfarrerin in der evangelisch-reformierten Laurenzenkirche. In ihrer Freizeit spielt sie Theater.