Es gibt schon zu viele Gedenk- und Aktionstage, doch Carsten will noch einen neuen hinzufügen: einen wöchentlichen Tag für das Feierabendbier! Warum ihm dies auf dem Weg zu mehr Gelassenheit hilft, erzählt er im Sternenglanz-Podcast.
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Disclaimer: In dieser Podcastfolge wird nicht zu einem unhinterfragten Konsum alkoholischer Getränke aufgerufen. Hilfe für Betroffene und Angehörige bei einer Alkoholsucht gibt es z.B. hier: Rat und Hilfe – Sucht Schweiz ↗
Es gibt zu viele Gedenktage, zu viele Aktionstage. Der 24. Mai zum Beispiel ist der Tag der kyrillischen Schrift und der Tag der Parks. Es gibt da keinen Zusammenhang. Der 25. Mai ist Afrikatag, der Towel Day (Tag des Handtuches), Urbanstag, Tag der argentinischen Revolution, Nationalfeiertag in Jordanien. Das sind ja alles mehr oder weniger wichtige Gedenken, für sich genommen, aber mir wird das zu viel. Darum gefällt es mir, wie Kathrin im letzten Podcast vorschlug den Muttertag umzudeuten. Weniger ist mehr.
Mir geht es auch so mit all den Heiligentagen, die meine Kirche kennt. Ich heisse nicht Urban, also sagt mir der Urbanstag nichts.
- Ich finde den Bruder Klaus gut wegen Frieden und Meditation und Gottesmystik.
- Ich finde Martin und Nikolaus gut wegen ihrer Nächstenliebe.
- Ich finde die Teresa von Avila toll wegen dem Gebet,
- die biblische Judith wegen ihrem Mut und ihrer Durchschlagskraft.
Da hört es dann auch schon auf mit all diesen Heiligen und ihren Tagen. Viel wird mir schnell zu viel. Wenn ich schaue, welches Gedenken bei mir effektiv wirkt, dann reduziert sich das ohnehin auf drei oder vier Tage im Jahr.
Ohnehin habe ich den Eindruck, dass nur jene Gedenktage gesellschaftlich einen Effekt haben, wo in Kita und Kindergarten gebastelt wird.
Was so viele können, kann ich vielleicht auch. Ich schlage vor, den Tag des Feierabendbiers einzuführen. Heute möchte ich mal überlegen, wofür so ein Tag stehen könnte, welche Geschichten mir dazu kommen und was so ein Gedenk- und Aktionstag auslösen könnte.
Feierabendbier: Genuss und Lebensgefühl
Es gibt bereits den Tag des Schweizer Bieres Ende April, da feiert man die Braukunst und die Vielfalt der Biersorten. Das bitte ich nicht zu verwechseln mit unserem neuen Gedenk- und Aktionstag des Feierabendbieres.
Nein, ich denke eher an jene Menschen, die an ihrem Feierabend sich ein kleines Bier gönnen, nach langer getaner Arbeit, die sich einen Moment mal setzen müssen nach all der Plackerei und diese paar Minuten brauchen, um wieder richtig durchzuatmen und einfach nur das Leben geniessen wollen. Dafür braucht es jetzt sofort den Tag des Feierabendbiers. Das ist ein wichtiger Beitrag für die gesellschaftliche Gesundheit, für die persönliche Work-Life-Balance, und am besten geniesst man mit jemand zusammen, damit das Ganze noch zum sozialen Miteinander beiträgt.
Das wäre die Botschaft des Tages des Feierabendbiers. Da kann eigentlich niemand etwas dagegen haben.
Kritik am Feierabendbier
Allerdings: Ich fahre häufig abends mit dem Zug. Mir fallen da schon immer wieder die jungen Männer auf, die offensichtlich ihren Feierabend mit einem Dosenbier in der Hand starten. Die kommen in den Zug, lassen sich irgendwo in einen freien Sitz fallen, kramen ihre Dose heraus, seufzen laut und trinken geräuschvoll. Das ist nichts Besonderes, das ist schon Routine. Das riecht, und in einem vollen Zug, wo viele Menschen geschafft von ihrem Tagewerk nach Hause wollen, haben wir eigentlich schon genügend Gerüche. Ich frage mich da: Geht das nicht besser daheim? Geht das nicht besser zusammen als allein?
Ich hätte da gerne etwas mehr Niveau für die jungen Herren. Das riecht eben mehr nach Kompensation als nach echtem Geniessen, eher nach Zudröhnen als nach Erholung.
Ich bin zudem noch Vater von Töchtern, und was die mir für Erlebnisse mit jungen Männern mit Dosenbier im Zug erzählen, das regt mich eher auf. Ich habe also Gründe, warum ich dieses soziale Phänomen eher kritisch beäuge. Ich bitte meine Töchter dann manchmal, diese Typen zu fotografieren, ich erkenne die bestimmt demnächst wieder, ich sage denen dann schon, dass Töchter auch Väter haben, also pass bloss auf – aber nein, sie wollen keinen Ärger, sie raten mir mich abzuregen, alles halb so schlimm. Es gibt bessere Methoden, um dort gut und effektiv auf Pöbelei zu reagieren. Ich wünsche diesen Typen einfach ein bisschen mehr Niveau. Das könnten die doch besser. Also könnten wir mit einem Tag des Feierabendbiers vielleicht auch hier zu einer besseren Welt beitragen.
Eine unfreiwillige Bierdusche
Kürzlich sass ich gegen Abend im Zug Richtung St. Gallen. Der Zug ist recht voll. Ein junger Mann kommt ins Abteil, pflanzt sich in den Sitz, kramt in seinem Rucksack und holt sich sein Dosenbier raus. Er sieht wirklich müde und ermattet aus, und ich denke nur: «Muss das jetzt wirklich sein?»
Der Mann reisst sein Feierabendbier auf, und es spritzt in hohem Bogen aus dieser Dose heraus. Ich erschrecke. Ich rutsche sofort im Sitz zur anderen Seite und reagiere instinktiv. Nicht jetzt! Ich bin nämlich auf dem Weg zu einer Gruppe, die am Abend zusammen mit dem Herrn Dompfarrer den Herrn Bischof besuchen wird, und ich stelle mir vor, dass es nicht gut passt, wenn ich da ankomme und nach Bier rieche. Schon überlege ich, ob ich Zeit genug habe, um mir noch schnell etwas anderes zum Anziehen zu besorgen, welche Geschäfte haben noch offen, habe ich noch Zeit genug – aber ich beruhige mich, weil, wie ich an mir herunterblicke, ich Glück gehabt habe. Kein Bierspritzer hat mich getroffen.
Der junge Mann gegenüber diesem Biertrinker hatte leider nicht ganz so viel Glück. Der hat eine volle Ladung abbekommen. Das Bier ist ihm auf die Hose und die Schuhe gespritzt. Unser junger Biertrinker hat sich sofort entschuldigt für dieses Malheur, aber der andere, der jetzt den Schaden hat, der bleibt in aller Ruhe sitzen. Der schaut sich an, was passiert ist. Der zuckt bloss die Schulter, der wiegelt mit der Hand ab: Alles nicht so schlimm, kein Problem.
Er nimmt die Entschuldigung an und geniesst all den Bierflecken zum Trotz seinen Feierabend. Diese Gelassenheit imponiert mir. Das ist eine mentale Grosszügigkeit, die sich weigert, sich schon wieder zu empören und aufzuregen.
Alles nicht so wild, es geht auch mal ohne erhitzte Gemüter. Ich hätte total verstanden, wenn der ausgerufen hätte, wenn der verärgert reagiert und geschimpft hätte. Aber einfach in aller Ruhe sitzen zu bleiben, in stoischer Genügsamkeit, das finde ich schon beachtlich.
Gelassenheit und mentale Grosszügigkeit
Und ich werde in dieser Situation etwas neidisch. Ich wünsche mir, ich hätte auch diese tiefe Gelassenheit, diese mentale Grosszügigkeit. Ich bin ein ruhiger, friedliebender Mensch, ich mag keine Aufregung und es braucht ziemlich lange, bis ich mich empöre. Und ich frage mich, was sich dieser Mensch gedacht hat. Vielleicht…
- Das kann uns allen passieren!
- Das ist mir doch auch schon Mal passiert.
- Das macht nichts, das muss ohnehin in die Wäsche.
- Ich lass mir doch wegen den paar Biertropfen meine Feierabendruhe nicht nehmen!
Und ich werde in dieser Situation etwas selbstkritisch, denn all meine Befürchtungen waren unnötig. Mein Ärger war überflüssig.
Fast denke ich mir, dass ich da eine sehr christliche Lektion erteilt bekommen habe, etwas, was ich versuche mir ja an Haltung durch Gebet und Meditation und Spiritualität anzueignen, diese Haltung von Gelassenheit und Grosszügigkeit. Ich mache das mit Gebet und Meditation, aber vielleicht hilft mir/uns auch ein Feierabendbier-Tag weiter.
Mein Weg zu mehr Gelassenheit
Zur Förderung unseres Feierabenddosenbierimzug-Gedenk-und-Aktionstages schlagen wir also vor, diesen an jedem Freitagabend zu begehen, pünktlich zu feinem Feierabend. Setz dich in Ruhe und Gelassenheit irgendwohin, lade einen Freund oder eine Nachbarin ein ‒- denn, wenn du trinkst, trink nicht allein! ‒, ruh dich aus nach getaner Arbeit, geniesse diesen Moment.
Bastelanleitungen für Kita und Kindergarten stellen wir demnächst auf der Homepage unseres Podcasts gratis zur Verfügung😉Wir arbeiten noch an der Bastelvorlage für Dosenbier, aber das kommt noch, vielleicht.
Soweit einmal wünsche ich dir die Gelassenheit ohne Aufregung, die Grosszügigkeit ohne Empörung und die Ruhe, abzuwarten ohne den Ärger vorauszuahnen.
Es geht auch etwas gemütlicher, dieses Leben doch zu geniessen.
Soweit einmal für heute. Den nächsten Beitrag liest du hier wieder am 6. Juni mit Kathrin Bolt.
Dir alles Gute & Gottes Segen!
Carsten
Wolfers
Carsten Wolfers ist leidenschaftlicher Podcaster und Hobby-Musiker. Der 51-Jährige lebt mit seiner Familie im Rheintal und arbeitet als Diakon für die römisch-katholische Kirche in Sevelen. In seiner Freizeit philosophiert er gerne über die grossen Fragen des Lebens.