Podcast Sternenglanz St.Gallen

Lesedauer: 6 Minuten

#32 Wie wächst Freude?

Carsten Wolfers fragt sich, wie er mehr Freude und Leichtigkeit in sein Leben bringen kann. Der Diakon zeigt, wie Freude wachsen kann – mit Dankbarkeit, Optimismus und einem kräftigen Lachen.

Es sind kleine Dinge, die deinem Tag Glanz verleihen. Manchmal fällt dir etwas auf, du gehst dem nach, entdeckst darin Tiefe und dann tut es dir einfach nur gut. Kathrin hat im letzten Sternenglanz-Beitrag von so einem Moment erzählt, wie ihr das gemachte Bett am Morgen hilft, besser, zufriedener und glanzvoller durch den Tag zu kommen. Da geht sie mit offenen Augen durch das Leben, entdeckt etwas Neues, wird neugierig, probiert es aus, und dann klappt das auch noch. Toll!

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Mir ist kürzlich ein Teekocher aufgefallen, als ich sogenannte Einkehrtage, Tage der Stille für meine Spiritualität, in St.Gerold verbrachte. St. Gerold ist ein kleiner Ort im Grossen Walsertal im Vorarlberg. In das kleine Kloster dort ↗ verkrieche ich mich von Zeit zu Zeit, um mich seelisch neu auszurichten.

Die Propstei St.Gerold, Vorarlberg. Fotocredits: Fotoclub Sonntag
Propstei St.Gerold, Vorarlberg. Fotocredits: Fotoclub Sonntag

Im Speisesaal hatte ich einen eigenen Tisch, ganz für mich allein. Und so blickte ich dort morgens, mittags und abends immer wieder auf einen Teekocher, der mir gegenüber auf einem Sideboard stand. Der Teekocher machte Werbung für einen österreichischen Teeanbieter. Dekoriert mit hübschem Blätterwerk stand auf dem Teekocher folgender Werbeslogan: «Da wächst die Freude.»

Mein erster Gedanke war: «Echt jetzt? Ist das ernst?» Ich kann mir ja schon vorstellen, dass Teekräuter wachsen und Teetrinken mit Freude verbunden wird. Aber den Standort eines Wasserkochers als Ort der Freude zu bezeichnen, das finde ich reichlich übertrieben.

Wenn ich aber Mühe habe mit dem Werbeslogan «Da wächst die Freude!», dann stelle ich mir doch die Frage, wo bei mir denn die Freude wächst, wie das bei mir geschieht.

Wie wächst Freude überhaupt? Denn ich hätte gern wirklich mehr Freude.

Also blickte ich tagelang auf diesen Teekocher und fragte mich, wo und wie meine Freude wächst.

Und während ich dort in Ruhe meinen – nein, nicht Tee –Kaffee trank, dachte ich über drei Faktoren nach:

  1. über Dankbarkeit,
  2. über Optimismus
  3. und schliesslich über ausgiebiges, lautes Lachen.

Dankbarkeit lässt Freude wachsen

Erstens: Dankbar zu sein ist ein guter Grund für Freude. Dankbarkeit stellt gleichsam die Wurzel, die Grundlage da, aus der Freude erwachsen kann.

Dankbarkeit stellt sich bei mir ein, wenn ich merke, mir wird etwas geschenkt. Ich bekomme mehr, als ich zu erwarten hatte.

Ich erlebe manches Gute und viel Schönes in meinem Umfeld. Ich spüre, wie gut mir das tut, wie da viel an Energie und Kraft drinsteckt, ja zu mir zurückkommt. Vielleicht habe ich mich angestrengt, wollte etwas erreichen, etwas aufbauen, und irgendwann stelle ich fest, dass das Ergebnis dasteht: Alles ist besser geworden, als ich zu träumen gewagt habe und mancher hat mitgeholfen, einfach so.

Oder vielleicht habe ich mich gar nicht angestrengt und mache die Erfahrung, dass das Leben auch mal ohne meinen Kraftaufwand wunderbar weiterläuft.

Manche Leute gehen richtig auf die Suche nach Dankbarkeit. Sie fragen sich: «Wofür bin ich dankbar?» und sammeln dann viele ach so alltägliche Gelegenheiten, die diesen Anschub geben für etwas mehr Dankbarkeit.

  • Heute hatte ich ein gutes Gespräch, dafür bin ich dankbar.
  • Dann habe ich gesehen, dass die Blumen im Garten mehr und mehr kommen, da bin ich dankbar.
  • Kürzlich habe ich einen Tee getrunken, der war wirklich nicht schlecht.
  • Jemand hat mir unverhofft ein Kompliment gemacht, danke dafür.

Den eigenen Blick zu trainieren für diese Gelegenheiten ist eine wunderbare Idee, eine wunderbare Lebenspraktik.

Wenn ich Gründe für Dankbarkeit suche, dann tauchen da – leider – immer zuerst Dinge auf, für die ich nicht dankbar bin. Sofort könnte ich aus dem Stehgreif eine seitenlange Liste zusammenstellen, wofür ich alles nicht dankbar bin. Doch darin steckt keine neue Kraft. Da wächst keine Freude.

Wenn ich allerdings auf das andere fokussiere, wenn ich ganz bewusst und gezielt die Dinge suche, die mich dankbar machen, dann gestehe ich mir ein: Die sind ja auch da. Ich habe nur einen Moment länger gebraucht, sie zu sehen, habe etwas mehr Anschub gebraucht, um sie sehen zu wollen. Immerhin, damit bereite ich den Grund, damit meine Freude wächst.

Optimismus steigert die Lebensfreude

Zweitens: Damit Freude wachsen kann, braucht es Optimismus. Wenn Dankbarkeit mir den Blick schärft, dass vieles im Leben wunderbar ist, dann hat die Hoffnung auf «mehr davon» einen guten Grund. Da kann Optimismus aufbrechen.

«Es wird schon wieder gut» oder «Das wird wieder» waren lange Zeit Sätze, die Eltern ihren Kindern sagten. Das Kind ist gestürzt, hat sich am Knie verletzt, Blut und Tränen fliessen.

In solchen Situationen sagen Eltern, während sie ihrem Kind das Pflaster auf die Wunde kleben: «Es wird schon wieder gut!» oder «Das wird wieder, keine Sorge!» Und meistens, nicht immer, stimmt das ja auch. Das tut einfach gut, so einen tröstenden Satz zu hören.

Immer häufiger sage ich mir selbst solche Sätze. Ich hoffe, mich so in diese Meinung, in diese Haltung besser hineinzubringen, dass es wirklich so ist.

Wenn Negatives hinter mir liegt oder mich ringsum belagert, mag ich dort nicht ewig bleiben, sondern will optimistisch und hoffnungsstark nach vorne schauen.

Als gläubiger Mensch ist für mich eigentlich klar: Mit Gott wird alles wieder gut. Zumindest irgendwann einmal. Das wird wieder. Gott stelle ich mir vor mit vielen und grossen Pflaster. Die Herausforderung ist, dies nicht nur eigentlich, sondern wirklich zu glauben und zu hoffen, dass das so ist, dass das so wird.

Das ist in diesen Wochen nach Ostern meine spirituelle Übung: Ich schaue auf ein Kreuz und bete: «Danke, dass der Tod und das Böse nicht das letzte Wort haben, sondern dass am Ende alles gut wird.»

Lautes Lachen für mehr Freude

Drittens: Es braucht das Lachen, damit die Freude wächst: ein rückhaltloses, starkes, spontanes Lachen, das so laut ist, dass die Nachbarn es hören.

In der Kirche höre ich immer wieder etwas von Freude, und dann singen wir orgelschwer ein Halleluja, bei dem ich mich frage, warum es mir so schwer fällt, dabei Freude zu empfinden.

Portrait Carsten Wolfers

Ich denke dann: «Freude, mein Gott, die ist so innerlich, die kann ich getrost in mir verschliessen, die dringt gar nicht nach draussen.» Aber da lebt und wächst die Freude dann auch nicht. Ich frage mich, ob ich gerade in der Kirche nicht bloss von Freude reden will, sondern von Fröhlichkeit, wo das Herz mitbeteiligt ist, von einer tiefen Heiterkeit, die man aneinander spürt. Da will ich mal ein Lächeln sehen, da freut mich ein grinsendes Gesicht.

Doch bei all diesen zaghaften Versuchen – Fröhlichkeit, Heiterkeit, Lächeln, Grinsen – richtig stark wächst Freude doch nur bei echtem Lachen. Alles andere ist bloss Freude mit Bremse. Erst wenn ich spontan und überschwänglich, wahrscheinlich viel zu laut lache, dann bekommt meine Freude so richtig Schwung und Elan und Momentum.

Bloss hier und da ein wenig lächeln, das ist wie Teetrinken, wo du vorsichtig an der Tasse nippst. Aber Lachen ist wie das Fass anschlagen oder wenn du die Sektkorken an die Decke schiesst!

Wenn meine Freude so richtig wachsen soll, dann muss ich mehr lachen. Dann lese ich Witzbücher und Lachgeschichten, ich übe Grimassen vor dem Spiegel, um mich zu überzeugen, dass ich auch anders kann. Vor allem brauche ich mehr Menschen um mich herum, die mich mit ihrem Lachen anstecken.

Wie Freude wächst? Eigentlich ganz einfach:

  • mit gesunder Dankbarkeit als Grundlage, als Nährboden
  • mit hoffnungsdurchtränktem Optimismus, dass alles gut kommt
  • und dann mit einem herzhaften Lachen, nicht immer und überall, doch gerne immer wieder mal

Wozu so ein schlichter Wasserkocher mit zweifelhaftem Werbeslogan doch alles gut ist, um mich stärker auf diese Spur zu bringen😉

Die nächste Folge Sternenglanz erscheint am 9. Mai mit Kathrin Bolt.

Dir alles Gute & Gottes Segen!

Portrait Carstel Wolfers

Carsten
Wolfers

Carsten Wolfers ist leidenschaftlicher Podcaster und Hobby-Musiker. Der 51-Jährige lebt mit seiner Familie im Rheintal und arbeitet als Diakon für die römisch-katholische Kirche in Sevelen. In seiner Freizeit philosophiert er gerne über die grossen Fragen des Lebens.