Hast du dir schon überlegt, aus der Kirche auszutreten?
Bei mir liegt gerade ein grosser Stapel mit Mäppchen auf dem Bürotisch: Kirchenaustritte, die ich unterschreiben soll. Das braucht mich immer etwas Überwindung.
«Schade!», denke ich. Dass es uns als Kirche nicht mehr gelingt, euch anzusprechen. Euch Mut zuzusprechen. Zu berühren!
Höre diesen Text als Podcast:
Aber ich habe grosses Verständnis: Es gibt Gründe. Sehr gute Gründe, um zu sagen: Da mache ich nicht mehr mit!
Neben dem Geld für die Steuern oder der Unzufriedenheit über die Institution Kirche, ist einer der Hauptgründe: «Ich glaube einfach nicht daran!»
Völlig legitim! Falls es dir auch so geht, dass du sagst…
- «Mir fehlt der Glaube»
- «Ich glaube nicht»
- «Ich glaube nichts»
- «Ich glaube an nichts»
… wärst du bereit, dich auf eine kleine Reise zu begehen?
Eine kreative Reise, bei der du verschiedene Dinge ausprobierst?
Ein Selbstversuch
Es geht nicht darum, dich von etwas zu überzeugen oder zu missionieren.
Sondern um einen Selbstversuch. Um Erfahrungen.
So jedenfalls schlägt es ein neu erschienenes Buch von Ruach.jetzt ↗ und dem Herder-Verlag ↗ vor:
«40 Dinge, die du ausprobieren musst, bevor du aufhörst, zu glauben» – so heisst der Titel. Herausgeber sind Tobias Sauer und Lisa Menzel.
Ich finde, das Buch macht Lust, die 40 Dinge zu testen.
Egal, ob ich herausfinden möchte, ob da doch noch ein Funke Glaube in mir ist oder nicht – oder ob ich einfach Lust habe, ein paar neue Dinge auszuprobieren.
Und vielleicht ist auch nicht alles neu. Aber auf jeden Fall sind einige Punkte ganz schön kreativ, finde ich.
Und immer sehr konkret!
Zum Beispiel:
1. Dich in deiner eigenen Stadt verirren.
Klingt im ersten Moment vielleicht etwas verwirrend. Das soll mit Glaube zu tun haben?
Meistens kennt man die eigene Stadt oder das eigene Dorf ja ganz gut. Aber gibt es vielleicht Orte, Wege, Dinge, die ich noch nie wahrgenommen habe?
Am besten einfach ausprobieren. Ich habe das gemacht und bin ganz begeistert!
So geht’s:
Du stellst einen Timer, 15 Minuten, und gehst vor die Tür. Dort wirfst du eine Münze. Zeigt sie Kopf, gehst du solange geradeaus, bis die erste Gelegenheit kommt, links abzubiegen. Zeigt sie Zahl, machst du dasselbe mit rechts.
Bei meinem Selbstversuch habe ich bereits in der ersten Minute gemerkt, dass es ganz viele Orte und Dinge in meiner nächsten Umgebung gibt, die ich noch nie gesehen habe! Jetzt wohne ich seit 23 Jahren in dieser Stadt. Und auf meiner kurzen Expedition habe ich eine Unterführung, einen Hinterhof und eine Treppe entdeckt: Orte, an denen ich vorher noch nie gewesen bin.
Was ich also wahrgenommen habe in den 15 Minuten:
- Dass heute Karton gesammelt wird.
- Dass es in St. Gallen viele Grafitis gibt.
- Dass in Hinterhöfen Häuser am Zerfallen sind.
- Dass es schöne Namen für Gassen gibt
- Und: Dass selbst im heruntergekommenen Hinterhof etwas Schönes blüht.
Hat diese Erfahrung etwas zu tun mit meinem Glauben?
Eine Münze werfen und losgehen und einfach wahrnehmen?
Am besten, du probierst es einfach aus!
2. Den Moment am offenen Fenster geniessen
Ich merke, das spricht mich schon an, bevor ich gelesen habe, was genau man machen soll. Wie selten nehme ich mir Zeit, am offenen Fenster zu stehen! Und wie gut könnte das sein: den Moment am offenen Fenster geniessen.
- Was höre ich, wenn ich das Fenster öffne?
- Was sehe ich?
- Ist es kalt?
- Scheint die Sonne?
- Woran denke ich?
Dieser Punkt lässt sich mit wenig Aufwand ausprobieren.
Vielleicht deshalb schlägt der Autor Tobias Sauer vor, daraus ein tägliches Ritual zu machen. Nun, wenn jeder der 40 Vorschläge zu einem neuen Ritual wird, habe ich am Ende ganz schön zu tun. Aber wer weiss? Jeden Tag einen guten Moment am offenen Fenster, das schadet auf keinen Fall!
3.Blackout-Poesie
Hier geht es um einen konkreten Vorschlag, wie man einen Text kreativ bearbeiten kann. Das kann ein biblischer Text sein, aber auch ein Gedicht oder eine Geschichte. Etwas, das mir vielleicht vertraut ist, aber auch nicht in allem zusagt.
Jedenfalls bekomme ich bei diesem Auftrag die Erlaubnis, mir nur das aus dem Text zu nehmen, was mir gefällt. Das kann ein einziges Wort sein. Oder ganz viele Worte. Einzelne Sätze.
Den Rest übermale ich tiefschwarz. Klingt im ersten Moment vielleicht destruktiv.
Ist aber durchaus kreativ!
Und das Ergebnis sieht gut aus. Ich habe es heute Morgen ausprobiert.
Dreimal mit dem gleichen Text.
Bis am Ende nur noch dies übrigblieb:
Im Anfang Licht und Nacht; Sterne, damit sie über die Erde leuchten.
Das ist die Essenz von meiner Blackout-Poesie mit dem ersten Text aus der Bibel, bei dem erzählt wird, wie die Erde entstand:
Im Anfang Licht und Nacht; Sterne, damit sie über die Erde leuchten.
Soviel zu meinen Erfahrungen mit dem Buch «40 Dinge, die du ausprobieren sollst, bevor du aufhörst zu glauben». Ich bin noch lange nicht fertig damit. Und freue mich darüber!
Besonders gut gefällt mir am Buch, dass die vorgeschlagenen Dinge sehr konkret sind und einen Bezug haben zur christlichen Tradition, ohne dass dabei missioniert oder belehrt wird.
Das Buch ist ein Angebot, Erfahrungen zu machen. Ganz eigene. Ohne zu werten, ob diese richtig oder falsch sind.
Ich glaube zwar nicht, dass das Buch Menschen davon abhalten wird, aus der Kirche auszutreten. Aber auf jeden Fall ist es kreativ und regt an, den eigenen Alltag etwas bewusster und kreativer zu gestalten.
Buchverlosung: 40 Dinge, die probieren musst, bevor du aufhörst, zu glauben
Auf Instagram verlosen wir Exemplare des Buches. Wenn du auch Lust hast, dann schau bei @sternenglanz.ch vorbei und mach mit bei der Verlosung. ↗
Vielleicht hast du auch noch mehr Ideen, welche Dinge Menschen tun könnten, bevor sie den Glauben aufgeben? Schreib uns deine Ideen!
Das war’s mit Sternenglanz für heute.
Die nächste Folge mit Carsten erscheint am 1. Februar.
Bis dahin, mach’s gut und schau gut zu dir.
Kathrin Bolt
Kathrin schreibt und spricht leidenschaftlich gerne. Die 43-Jährige lebt mit ihrer Familie in St.Gallen und arbeitet als Pfarrerin in der evangelisch-reformierten Laurenzenkirche. In ihrer Freizeit spielt sie Theater.