«Macht hoch die Tür, die Tor macht weit.» Mit solchen Adventsliedern stimme ich mich gerne in den Advent ein. Aber wenn ich im Advent wirklich Tür und Tor aufmache, dann kommt meist Stress herein.
Alle Jahre wieder die gleiche Hektik:
- O Stress lass nach, o Stress lass nach, das könnt mir sehr gefallen.
- Was soll das bedeuten, dass ich mir das Jahr und Jahr erneut antue?
- Überall auf Tannenspitzen, sehe ich irre blinkende LED-Lampen blitzen, und mir schwant, droben aus dem Himmelstor, schaut genervt das Christkind hervor.
- Die Stille Nacht ist letztlich dann eher ein ziemlich erschöpfter Abend, an dem die Nerven der ganzen Familie so angespannt sind, ob es uns denn dieses Jahr gelingen könnte, den Hausfrieden zu halten.
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Ich will nicht jammern über diesen wiederholten Stress, und tue es doch.
Warum eigentlich?
Mir fehlt wohl die Ausgeglichenheit, denn einerseits sehne ich mich nach Ruhe und Besinnlichkeit, andererseits mache ich mit bei Stress und vielen Aktivitäten. Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust. Ich muss mir eingestehen, dass ich entweder wahnsinnig bin oder ambivalent.
Du kennst vermutlich den Spruch von Einstein: «Wahnsinn ist, das Gleiche immer wieder zu tun und ein unterschiedliches Ergebnis zu erwarten.» Das tue ich jedes Jahr im Advent.
Oder ich bin zwiespältig, weil ich sowohl Ruhe und Besinnlichkeit will als auch Stress und Aktivitäten mitmache.
Also machen wir uns heute mal daran, dieses Problem zu lösen. Dafür schauen wir uns beide Seiten an und finden dann eine Lösung, die all die unterschiedlichen Ansprüche, Erwartungen und Bedürfnisse unter einen Hut bringt. So geht das nicht weiter, also lösen wir mal eben diesen Jahrhundertkonflikt. 😉
Wozu der Advent gut ist
Einerseits gibt es im Advent dieses Bedürfnis nach Ruhe und Besinnlichkeit. Sinn und Zweck vom Advent ist nun mal die Vorbereitung auf Weihnachten. Darauf deutet die zweite Zeile des Liedes «Macht hoch die Tür, die Tor macht weit» hin. Da heisst es: «Es kommt der Herr der Herrlichkeit», also der Herr von Glanz und Glitter. Darum heisst Advent übersetzt: Ankunft.
Weihnachten bedeutet für mich die innere Hinwendung zu Gott, eine innere Neuorientierung auf Jesus hin, der als kleines göttliches Kind in diese hektische Welt hineinkommt. Dafür will ich tief in mein Herz, in meine Seele hineinschauen, und das geht gar nicht anders als mit etwas Ruhe und Besinnlichkeit.
Wenn ich Advent begehe als Vorbereitung auf Gottes Kommen, dann muss ich äusserlich runterfahren, um innerlich vorwärts zu kommen.
Und ich möchte im Advent ja auch diese Ruhe, diese Gemütlichkeit, dieses hyggelige Wohlfühlen. Ich mag das warme Licht in den Nächten, die jetzt kälter und länger werden. Ich geniesse es, wenn die Wohnung sich mit dem Duft von Weihnachtsguetzli füllt. Ich mag es, hier und da etwas Gutes zu tun in dieser besonderen Zeit. Ich brauche das für mich selbst, die Hoffnung jetzt wieder zu heben.
Wunderbarer Stress vor Weihnachten
Andererseits gibt es im Advent diesen Drang nach Stress und Aktivitäten verschiedenster Art:
Da gibt es allüberall Konzerte und Essen und Märkte. Selbst wenn ich Konsum und Kultur entkomme, ich mag das auch. Ich feiere gerne mit, ich gehe neugierig an Ständen vorbei, ich feiere diese Luft, die von Glühwein und Raclette schwer wird.
Irgendwann sollte ich Geschenke besorgen.
Und auch wenn ich viel Post momentan direkt in den Papiersammler gebe: Ich finde die Sache mit dem Kartenschreiben, Grusskarten gestalten und erst recht Post bekommen ziemlich schön.
Auch in den Kirchen gibt es allüberall viel Stress und Aktivitäten: Da werden Adventsfenster geschmückt, Adventskränze gebunden und wunderschön dekoriert, Samichläuse machen Besuche bei Kindern, die Frühaufsteher lieben die besondere Atmosphäre von Rorategottesdiensten bei Kerzenschein in aller Herrgottsfrühe. Viel passiert auch für Senior*innen, um gerade diese Gruppe in dieser Zeit nicht einsam zu lassen.
In der Menge ist das alles wahnsinnig viel. Und natürlich dürfte es hier und da etwas weniger sein. Ich tue mich aber schwer damit, viel von der Liste der Aktivitäten herunterzunehmen. Das stecken Werte und Bedeutung drin. Vieles geschieht, weil wir das gerne tun. Und da möchte ich die Türen gerne ganz weit aufmachen, möchte an manches Tor klopfen und sagen: Das macht Freude und Spass, oder?
Drei Tipps, um den Widerspruch zwischen Ruhe und Stress im Advent zu lösen
Da haben wir unser Dilemma: Einerseits ein berechtigtes Bedürfnis nach Ruhe und Besinnlichkeit, andererseits wunderbarer Stress und wertvolle Aktivitäten.
Wie können wir diesen Widerspruch lösen? Für mich selbst möchte ich drei Dinge in diesem Advent beherzigen, damit ich nicht diesem Dilemma erliege:
1. Ehrlichkeit mit mir selbst
Erstens: Ich mache mich ehrlich. Es sind ja nicht nur die Erwartungen anderer, die mich treiben. Das ist ja meine Zeitplanung, und ich weiss ja schon seit langer Zeit, dass Weihnachten am 24. Dezember startet und der Advent etwa vier Wochen vorher beginnt. Das kommt nicht so plötzlich, dass ich mich nicht frühzeitig darauf einstellen könnte.
Aber zur Ehrlichkeit gehört auch, dass ich all diese unterschiedlichen Ansprüche und Bedürfnisse sehe und mir eingestehe, dass ich das bin.
Ich wünsche mir gerne mehr Ruhe und ich verhindere diese gleichzeitig.
Ich würde gerne so vieles tun, weil es mir wichtig ist, aber auch mein Tag hat nur 24 Stunden.
All das ist meine Verantwortung und meine Planung, meine Bedürfnisse und meine Ambivalenz, meine Ruhe und mein Stress.
2. Freude statt Jammern
Zweitens: Ich wähle lieber Freude als Jammern.
Wenn ich mich ehrlich mache, dann kann ich mir eigentlich auch das Jammern verkneifen. Das raubt mir ohnehin Zeit und Nerven, damit ziehe ich mich runter.
Wenn ich Ruhe wähle, dann müssen halt ein paar Aktivitäten warten, und darüber muss ich mich nicht aufregen. Wenn ich viele Aktivitäten will, dann kommt die Ruhe etwas zu kurz, und das gehört dann eben mit dazu.
Wichtig erscheint mir nicht in diesen Jammerchor mit einzustimmen, sondern mich zu freuen.
Ich freue mich über Ruhe und Besinnlichkeit. Ich freue mich über viele tolle Aktivitäten und ja, ich freue mich auch über meinen Stress.
3. Fokussieren und dosieren
Ich fokussiere und ich dosiere. Ich fokussiere auf das, was mir wirklich sinnvoll erscheint, was zielorientiert ist.
Mir erscheint sinnvoll, etwas zu tun oder auch zu lassen, damit ich mit Freude und Frieden nachher Weihnachten feiern kann.
Bei der Menge an Aktivitäten im Advent sind viele dabei, die nicht unbedingt helfen, dass wir Weihnachten mit Freude und Frieden feiern werden. Einiges kann ich lassen.
Und ich dosiere. Ich trinke vielleicht nur einmal auf einem Weihnachtsmarkt in der Nähe meinen Glühwein, vermutlich aber nicht jede Woche in einer anderen grösseren Stadt.
Ich backe vielleicht einmal zwei Sorten Guetzli, aber nicht fünfmal zehn. Vielleicht backt auch irgendjemand für mich, und ich komme einfach zwischendurch für die Degustation vorbei.
Fokussieren und dosieren, wenn ich das bewusst mache und womöglich auch schriftlich und mit meinen Leuten abspreche, dann geht das doch – mehr oder weniger – unter einen Hut.
Am Anfang vom Advent mache ich also Tor und Tür ein wenig auf, und ich freue mich durchaus über den fröhlichen Trubel, der mir da ins Haus schneit.
Aber wundere dich bitte nicht, wenn ich gelegentlich auch die Tür geschlossen halte, die Klingel abstelle und mich zurückziehe, denn diese Ruhe brauche ich eben auch.
Die nächste Sternenglanz-Postcastfolge hörst du in zwei Wochen, am 21. Dezember. Kathrin und ich bereiten eine besondere Weihnachtsfolge für dich vor.
Dir alles Gute und Gottes Segen!
Carsten
Wolfers
Carsten Wolfers ist leidenschaftlicher Podcaster und Hobby-Musiker. Der 50-Jährige lebt mit seiner Familie im Rheintal und arbeitet als Diakon für die römisch-katholische Kirche in Sevelen. In seiner Freizeit philosophiert er gerne über die grossen Fragen des Lebens.