Podcast Sternenglanz St.Gallen Carsten Wolfers

Lesedauer: 5 Minuten

#18 Im Garten

In unserer letzten Podcastfolge hat Kathrin bravourös die Balance geschafft: zwischen diesem hyggeligen Rein ins Schneckenhaus meiner Gemütlichkeit und diesem sporadischen Raus zum Sonne-Tanken.

Vielleicht habe ich auch nicht ganz so gut zugehört, weil ich diese Balance zu gerne heraushören möchte, aber h ↗ör besser selber rein.

Ein Bereich, der mir selten gut gelingt, ist neben dem Zuhören auch der Garten. Dabei ist das ja verrückt: Eigentlich wäre der Garten eine gute Möglichkeit, um die Sonne eines goldenen Herbstes zu geniessen und – eventuell mit Wolldecke oder heissem Tee – einen Ort voller Gemütlichkeit zu haben.

Höre diesen Text als Podcast:

Ich nutze also unseren Podcast mal,

  1. um die seltsame Beziehungsgeschichte zwischen dem Garten und mir zu klären,
  2. um zu reflektieren, wie der Garten mir in meinem Selbstcoaching oder meiner Selbstseelsorge hilft
  3. um zu sehen, was passiert, wenn ich dazu die Bibel zur Hand nehme.

Der Garten und ich

Der Garten und ich, wir haben eine sehr seltsame Geschichte hinter uns. In den Studententagen sind mir selbst die Kakteen auf dem Fensterbrett vertrocknet. Anfangs im Beruf hat ein Freund uns gerne mal wunderschön Orchideen geschenkt, die allerdings nicht länger als eine Woche überlebt haben. Lange gab es in unserem Garten lediglich Rasen und Hecke. Ich meinte, wir hätten nicht mehr Zeit dafür. Manche Blume wurde im Garten beim Fussballtraining geköpft.

Heute finden sich überall Blumen und Büsche und Sträucher, eine Wiese mit Wildblumen und Sonnenblumen, die sich hoch in den Himmel recken.

Bunte Blumen im Garten von Carsten Wolfers
Bunte Blumen im Garten. Foto: Carsten Wolfers

Woher dieser Wandel? Das liegt nicht nur daran, dass die Kinder ausziehen oder mittlerweile besser den Ball treffen. Vorwiegend ist der Garten während der Coronaviruspandemie lebendig geworden.

Ich habe immer noch keine Ahnung, wie man gut mit Pflanzen umgeht, aber Nachbarn, Stiefeltern und das Internet helfen gelegentlich aus. Irgendwann im Zuge der Coronakrise hatten wir Zeit, etwas mehr im Garten zu tun. Heute freuen wir uns an den vielen Farben, die der Herbst dort hervorbringt.

Wie gut tut es, die ganze Entwicklung vom Säen bis zum Ernten zu gestalten und zu begleiten!

Es tut gut, dieses Wachstum in solcher Vielfalt zu erleben. Die Farben, das Wachstum, auch die Arbeit mit den Händen sind so recht etwas fürs Gemüt. Wenn ich all diese Vielfalt sehe, wenn ich diese Schönheit anschaue, dann werde ich aufmerksamer, dann staune ich, dann werde ich dankbarer.

Wie der Garten mich coacht

Ich schaffe mir mit dem Garten einen ganz besonderen Raum. Ich ziehe mich dorthin zurück. Je länger je mehr habe ich den Eindruck, diese Arbeit und dieses Verweilen im Garten macht etwas mit mir. Das geht ganz tief. Irgendwie kommt es mir vor, als würde der Garten mir ein paar Lektionen über das Leben selbst beibringen.

1.«Auf andere Gedanken kommen»

Erstens hilft mir der Garten, auf andere Gedanken zu kommen. Manchmal komme ich am Abend nach Hause, und wenn noch etwas Zeit bleibt vor dem Abendchaos oder der Abendruhe, denn die Sonne noch eine Weile scheint, dann drehe ich eine Runde durch den Garten, schaue, was sich schon wieder irgendwo getan hat, was sich verändert hat, ob alles an seinem gewohnten Platz ist. Manchmal nehme ich eine Gartenschere zur Hand, schneide hier oder dort einen Zweig ab oder stutze zurück. Das hilft mir auf andere Gedanken zu kommen.

Wenn die Sorgen in der Familie akut sind, wenn der Stress im Beruf anzieht, wenn ich einfach diese innere Unruhe verspüre, dann hilft der Gang durch den Garten. Wenn ich mit einem Problem einfach nicht weiterkomme, sich keine Lösung zeigt, dann tut mir dieser Tapetenwechsel hinaus ins Grüne gerade gut.

Wie oft sind mir gute Ideen zugefallen, während ich noch etwas Laub auf der Terrasse zusammenkehre oder bloss ein paar verblühte Blüten einsammle!

Ich habe wohl lange unterschätzt, dass der Garten das ziemlich gut zuwege bringt, dieses «auf andere Gedanken kommen.»

2.«Arbeit lohnt sich.»

Das zweite, das der Garten mich lehrt, ist, dass Arbeit sich lohnt. Ich bin noch erzogen worden mit dem Spruch «Von Nichts kommt nichts». Ich weiss nicht recht, ob mir dieser Spruch heute aus pädagogischer Sicht gefällt, aber es hilft mir, zu erleben, was ich etwas an Arbeit in diesen Garten stecke und ich die Ergebnisse früher oder später sehe. Egal, ob ich nun ein Beet umgrabe, einen Beerenbusch pflanze, früher oder später sehe ich ein paar Resultate.

Büsche und Gartenstühle mit Sonnenschirm in Carsten Wolfers Garten. Foto: Carsten Wolfers

Selbst, wenn ich bloss aufräume oder ein paar Stühle, den Grill oder die Gartengeräte verstaue, dann sehe ich die Ergebnisse.

Foto: Carsten Wolfers

Was ich tue, hat eine Wirkung. Das stärkt mein Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit und meine Zufriedenheit, weil ich Ziele, die ich mir gesetzt habe, erreiche.

Die Arbeit im Garten lohnt sich also für mich persönlich.

3.«Meiner Hände Arbeit»

Das dritte, das mir der Garten abverlangt, ist die Arbeit mit den eigenen Händen. Vielleicht gerade weil ich beruflich eher Kopfarbeit mache, also Nachdenken, Reden, Hinhören, gerade deshalb tut mir der Wechsel hin zu etwas Arbeit mit den Händen gut. Das ist ein guter Ausgleich. Das hilft mir ganzheitlicher unterwegs zu sein und lässt mich in Balance bleiben.

4.«Alles hat seine Zeit.»

Schliesslich erlebe ich im Garten die Jahreszeiten intensiver. All das Kommen und Gehen, als das Säen und Pflanzen, das Blühen und Gedeihen, das Welken und Absterben, all diese Phasen und Abläufe sind normal.

  • Wenn ein Sturm die Sonnenblumen umknickt, gut, dann denke ich mir, wie mancher Sturm im Leben wohl zum Leben dazugehört. Das lässt mich diese Erfahrung leichter annehmen.
  • Wenn ich säe und pflanze, dann verbinde ich das mit der Hoffnung, die mich umtreibt und vorwärts treibt, dass da etwas wachsen wird.
  • Wenn ich ernte, bin ich etwas stolz und vor allem dankbar.
  • Wenn ich zusammenkehre, zusammenlese, dann hilft mir das besser anzunehmen, dass Misserfolg und Niedergang dazugehören.
  • Und wenn es mal zu kalt ist für irgendwas, dann übe ich mich doch in Geduld, während draussen die Brache ihre Arbeit tut. Im Garten hat alles seine spezifische Zeit.

Garten in der Bibel

Wenn ich schaue, wie mein Verhältnis zum Garten sich verändert hat, was mich der Garten über das Leben lehrt, wenn ich glücklich bin, da meinen schönen, bunten Rückzugsort gefunden zu haben, dann mag ich noch kurz in die Bibel schauen, was dort über Gärten steht. Da wird vom Paradies als Garten Eden geredet, und doch ist das kein Ort zum Bleiben. Die Bibel spricht häufiger vom Weinberg. Da gibt es Arbeit, da gibt es volle Ernte, und zugleich auch das Risiko, dass alles noch verödet. Jesus betet im Garten Gethsemani, aber da ist der Garten auch nur eine kurze Station zum Ausruhen, bevor es dann weitergeht. Dann gewinne ich doch irgendwie den Eindruck, diese biblischen Gärten sind keine Rückzugsorte für Ruhe und Ausgeglichenheit. Die biblischen Gärten sind Hoffnungsorte, wo ich für kurze Zeit Atem holen kann, aber dann geht es bald weiter.

Topfpflanzen im Garten von Carsten Wolfers.

Heute nehme ich das als Hinweis, dass mein Garten nicht nur mein privater Rückzugsort ist, wo ich manches über mein gutes menschliches Leben lerne.

Foto: Carsten Wolfers

Mein Garten ist auch ein Durchgangsort, wo ich kurz bleibe, um ordentlich Sonne, Wärme und vor allem Hoffnung aufzutanken. Bei all dem, was ich dort über das Leben lerne, gibt es auch ein Leben jenseits von Gartenmauer und Gartenzaun. Für das Leben dort drüben kann ich die Hoffnung meines Gartens wunderbar gebrauchen.

Den nächsten Sternenglanz-Beitrag hörst und liest du hier ab dem 26.Oktober, dann wieder mit Kathrin Bolt.

Dir alles Gute – und Gottes Segen!

Portrait Carstel Wolfers

Carsten
Wolfers

Carsten Wolfers ist leidenschaftlicher Podcaster und Hobby-Musiker. Der 50-Jährige lebt mit seiner Familie im Rheintal und arbeitet als Diakon für die römisch-katholische Kirche in Sevelen. In seiner Freizeit philosophiert er gerne über die grossen Fragen des Lebens.